29. NATIONALPARK PYRENÄEN , OKZITANIEN, FRANKREICH
PARC NATIONAL DE PYRENEES , FRANKREICH
An der Pont d´Èspagne |
Charakteristik: Geschützt wird eine Hochgebirgslandschaft im Mittelteil der französischen Pyrenäen entlang der Grenze zu Spanien. Die gewaltige Felsbarriere, welche die iberische Halbinsel von Resteuropa trennt, ist am eindrucksvollsten im Felskessel des "Cirque de Gavarnie" zu erleben. Dieser ist von zahlreichen Wasserfällen durchsetzt, darunter dem höchsten Frankreichs, der "Cascade de Gavarnie". Wilde Wasser sind generell das Kennzeichen dieses Nationalparks. Rund um die "Pont d`Espagne" , dem zweiten landschaftlichen Höhepunkt, lassen sich zahlreiche Kaskaden, Wildbäche und Bergseen entdecken.
Größe: 457 km2 Gegründet: 1967 Besucht: Juli 2024
Bewertung:
Größe: 7
Bedeutung/Naturschutz: 6
Highlights: 6
Wildnisfaktor: 5
Service: 7
Öffentliche Erreichbarkeit: 6
Meine Bewertung: 6,1
Mein Nationalpark (Juli 2024): Der große Parkplatz unterhalb der "Pont d`Espagne" ist gerammelt voll, wir paar Leute aus dem Zubringerbus von Cauterets wirken dagegen wie ein vernachlässigbares Rinnsal. Fast alle streben augenblicklich zum nahen Sessellift, um rasch zum Bergsee "Lac de Gaube" mit Restaurant, Bootsverleih und allem Drum und Dran zu gelangen. Soll mir nur recht sein. "Die Pont d`Espagne" (Spanische Brücke) ist eine alte Steinbrücke, die einen der vielen Wasserfälle überspannt. Ringsherum rauschen unzählige Kaskaden und Wildbäche talwärts. Als der staatliche Energiekonzern Electricitè de France ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Pyrenäen
einige Wasserkraftwerke erbaute und auch ein Auge auf dieses Gebiet warf, widersetzte sich die zuständige Gemeinde Cauterets ausSorge um den florierenden Fremdenverkehr den Verbauungsplänen. Damals wurde auch bereits die Gründung eines Nationalparks diskutiert, der dann schließlich 1967 als einer der ersten Frankreichs realisiert wurde. So dürfen die wilden Wasser weiterhin frei sprudeln.
Wenige Gehminuten hinter der Pont d`Espagne passiert man den hässlichen Betonbau der Liftstation zum Lac du Gaube. Hier beginnt ein breiter Wanderweg, der vom allgemeinen Trubel bei den Wasserfällen weg in ein herrlich einsames Hochgebirgstal führt. Zu Beginn sehe ich noch eine Familie im Bach plantschen, später wandere ich völlig alleine dahin. Das Tal leitet leicht ansteigend gegen Westen und ist von nicht allzu schroffen Gipfeln eingerahmt: Pic Barbot und Pic Arrouy, beide um die 2800 m hoch. Die steilen Hänge wirken eher kahl und unspektakulär. Das Grundgestein besteht hier, im Gegensatz zum gestern besuchten spektakulären Kalksteinkessel "Cirque de Gavarnie", eindeutig aus Graniten und Gneisen mit sanfteren Formen. Ein wenig wie in den Niederen Tauern sieht es hier aus.
Im Tal des "Gave du Macardau" im westlichsten Teil des Nationalparks |
Auf einer Wiese am gegenüberliegenden Flussufer weidet eine kleine Schafherde samt Schäfer und Hund. Ein Schild zeigt bis zum "Refuge Wallon Marcadau" noch 90 Minuten Gehzeit an. Am Steilhang zur Hütte windet sich der Weg in Kehren aufwärts. Hier begegnet mir ein fröhlich pfeifender Wanderer in meiner Altersklasse, der mich sogleich mit einem mir unverständlichen, weil französischen Wortschwall überschüttet. "Je ne parle pas francàis" und "je suis autrichien" bringe ich gerade noch heraus. "Autriche, Vienne" ruft er lachend, klopft mir auf die Schultern und steigt weiter talwärts.
Manchmal ist es einfach schade, wenn man der Landessprache nicht mächtig ist. In Frankreich gilt das besonders.
Die Schutzhütte ist ein langer, etwas futuristischer Bau auf runden Granitbuckeln. Beim cafe au lait auf der Terrasse lasse ich mir vor dem Abstieg viel Zeit und schaue einfach in die Bergwelt ringsum. Eigentlich fühlt es sich hier nicht viel anders an als in den Alpen oder in tausenden Gebirgslandschaften weltweit. Das Besondere an den Pyrenäen ist jedoch, dass sie die riesige Iberische Halbinsel naturräumlich und kulturell komplett vom übrigen Europa trennen. Als vor 30.000 bis 40.000 Jahren der Homo Sapiens damit begann, den ebenfalls in Europa lebenden Neandertaler zu assimilieren, zu verdrängen und/oder auszurotten (über diese Frage sind sich die Anthropologen nicht einig), wich der Neandertaler über die Pyrenäen zurück und überlebte in Spanien möglicherweise bis noch vor 10.000 Jahren. Im frühen Mittelalter bildete dieses Gebirge die natürliche Grenze zwischen den maurischen Kalifaten Spaniens und den nördlich gelegenen christlichen Königreichen.
Abends sitze ich vor meinem Zelt, das ich auf einem kleinen Campingplatz am erhöhten Stadtrand des weltberühmten Wallfahrtsortes Lourdes aufgestellt habe. Im Süden leuchten die Dreitausender des Pyrenäen-Hauptkammes im Abendlicht und veranschaulichen nochmals die Mächtigkeit dieser gewaltigen Felsbarriere zwischen Frankreich und der Iberischen Halbinsel.
Das Gebiet mit Geologie, Flora und Fauna: Die 457 km2 Nationalpark-Fläche verteilen sich auf einen 40 km langen Streifen entlang der spanischen Grenze südlich der Städte Pau und Tarbes in der französischen Provinz Okzitanien. An den östlichsten Teil schließt jenseits der Grenze der spanische Nationalpark Ordesa y Monte Perdido an. Letzterer ist mit 3355 m der höchste Gipfel der mittleren Pyrenäen. Die beiden landschaftlichen Highlights kontrastieren stark: Südlich des einstigen Hirtenortes Gavarnie schließt der gewaltige, 2 km durchmessende Felskessel "Cirque de Gavarnie" in 1700 m Seehöhe das Tal ab. Zahlreiche Wasserfälle stürzen entlang der senkrechten Kalkwände herunter. Der größte davon zählt mit 422 m Fallhöhe zu den höchsten Kaskaden Europas. Das zweite Besucherzentrum befindet sich ein Tal weiter im Süden des Kurorts Cauterets. Hier überspannt die "Pont d Èspagne" einen tosenden Wildbach und ringsherum rauschen dutzende Wasserfälle zu Tal. Die Berge wirken hier abgerundeter und zahmer als in der Gavarnie und sind aus Urgestein aufgebaut. Einige Exemplare von Braunbären der Pyrenäen-Unterart haben in einem kleinen Areal im äußersten Osten des Parks überlebt.
Ein besonderes Tier : Der Pyrenäen - Desman
Bild: Internet |
Wer kennt das nicht? Tierarten, die man auf Grund ihrer grotesken äußeren Erscheinung automatisch nach Australien verorten würde? Eines davon ist hier zu Hause - der Pyrenäen-Desman. Das kleine Fellbündel mit röhrenförmiger, an einen Rüssel erinnernde Nase, Schwimmhäuten an den Hinterbeinen und einer Moschusdrüse gehört zu den Maulwürfen und lebt in den Bächen und Flüssen der Pyrenäen. Wie zahlreich er vorkommt, ist nicht bekannt. Ich habe jedenfalls in der Gave du Macardau vergeblich nach ihm gesucht.
Service und öffentliche Erreichbarkeit: Die nächste Großstadt ist Toulouse. Sie ist über die Schweiz, Lyon, Avignon und Montpellier gut mit dem TGV oder gemächlicher mit diversen Regionalzügen erreichbar. Aus Toulouse wird der dem Nationalpark nächstgelegene Bahnhof angesteuert - das berühmte Lourdes. Das ist auch ein praktischer Stützpunkt für
Lourdes |
Tagesausflüge mit Linienbussen in das Schutzgebiet. Der Ort Cauterets und die Pont d`Espagne werden mehrmals täglich angefahren, der Weiler Gavarnie beim berühmten Talkessel nur einmal am Morgen. Auffällig sind die vielen Campingplätze, allein in Lourdes gibt es fünf. Meiner war wahrscheinlich der schlichteste: Außer einer Wiese, einem Sanitärgebäude und der äußerst charmanten, 80jährigen Betreiberin gab es dort nicht viel. Der schönst gelegene Campingplatz befindet sich direkt unterhalb des Cirque de Gavarnie mit tollem Blick auf die Wasserfälle.
Die Hotels der Region sind teuer und außerdem in der Hochsaison größtenteils ausgebucht.
Dem Wanderer mit viel Zeit würde sich eine interessante Tour anbieten. Vom Cirque de Gavarnie schraubt sich ein Wanderweg bis zu einer Scharte zwischen senkrechten, 100 m hohen Felsen auf 2807 m Seehöhe empor - die "Brèche de Roland" (Rolandsbresche). Es handelt sich um den höchstgelegenen Pyrenäenübergang zwischen Frankreich und der spanischen Provinz Huesca.
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