2. NATIONALPARK SLOWAKISCHES PARADIES
NATIONALPARK SLOWAKISCHES PARADIES
(SLOWENSKY RAJ)
Westkarpaten, Slowakei
Größe: 328 km2
Gegründet: 1988
Besucht: Oktober 2022
Charakteristik: Verkarstetes, dicht bewaldetes Mittelgebirge mit vielen tief eingeschnittenen Tälern und Schluchten, die aufwendig mittels Leitern, Ketten und Tritthilfen für ambitionierte Wanderer Innen gangbar gemacht wurden. Große Teile des Gebietes sind noch Urwälder. Die urwüchsige Landschaft beherbergt eine große Population von Luchsen, Wölfen und Europäischen Braunbären.
Schluchtenwanderungen auf teilweise abenteuerlichen Wegen sind die eigentliche Attraktion des Slowakischen Paradieses.
Am nördlichen Rand des Nationalparks durchbricht der Hornad - Fluss das Kalkgebirge und bildet eine wilde und einsame Flusslandschaft.
Größe: 4. Highlights: 7. Bedeutung: 8. Wildnis: 8. Service: 6. Öffis: 7.
Bewertung: 6,6
Mein Nationalpark: Oktober 2022
Beim Aussteigen an der winzigen Bahnstation Vydrnik in der östlichen Slowakei fühlt man sich ein wenig ans Ende der Welt versetzt. Eine Handvoll Häuser und ringsherum jetzt im Spätherbst triste brachliegende Felder. Ich schultere den Rucksack und mache mich auf den Weg ins 2 Kilometer entfernte Hrabusice am Rande des Nationalparks, wo ich ein Zimmer gebucht habe. Kaum losgegangen, stoppt neben mir ein Auto und ich mache Bekanntschaft mit der auffälligen Hilfsbereitschaft der Slowaken. Ein junger Mann bietet mir zuerst auf Slowakisch, dann auf englisch eine Mitfahrgelegenheit an. Während der Fahrt erklärt er mir begeistert von den besten Tourenmöglichkeiten, warnt mich aber noch, wegen der vielen Bären ganz allein zu gehen und setzt mich dann direkt vor meiner Pension ab. Eine halbe Stunde später bin ich schon mit Bergschuhen zum Hornad-Fluss unterwegs, um den späten Nachmittag auszunützen.
Der Hornad - Durchbruch
Das Wächterhäuschen am Canyon Eingang ist nicht mehr besetzt. Ich gehe dicht am Flussufer teilweise auf Gitterwegen, denen ich hier noch oft als Tritthilfen begegnen werde. Kein Mensch ist außer mir unterwegs. Ich versuche, nicht an die Bären zu denken.
Der Hornad entspringt weiter westlich in der Niederen Tatra, bildet hier im nördlichsten Teil des Slowakischen Paradieses das wilde Durchbruchstal Prielum Hornadu, um später die Stadt Kosice zu passieren und dann auf ungarischem Staatsgebiet in die Theiß zu münden.
Keine Strasse oder Fahrweg, nur eben dieser Pfad leitet mit mehreren Metall-Hängebrücken und vielen abenteuerlichen Passagen durch das Durchbruchstal. Eine gewundene, senkrecht zum Wasser abfallende Felswand wird recht ausgesetzt an schmalen Gitterrosten gequert, 6 m unterhalb rauscht der Fluss dahin.
Nach einer Stunde erreiche ich nach Überquerung einer Hängebrücke
die Abzweigung zur Klastorska - Schlucht, die gegen Süden zum Plateau hinaufführt. Die möchte ich mir ein Stück ansehen. Auch hier gibt es wieder Tritthilfen und Kettensicherungen.
Kreuz und quer liegen umgestürzte Baumstämme, die nur manchmal zwecks Passierbarkeit mit der Kettensäge zerteilt wurden. Auch die Hänge ringsum sehen wie wilder Urwald aus.
Nun ist es aber höchste Zeit umzukehren, um noch bei Tageslicht die Schlucht zu verlassen.
Der Bär im Paradies
Im Juni 2021 wurde ein 57-jähriger Wanderer in der mittleren Slowakei, 40 km westlich vom Slowakischen Paradies, von einem Braunbären angegriffen und getötet. Es war der erste derartige tödliche Unfall in der Geschichte der Slowakei. Sogleich entbrannte im Land eine heftige Debatte zwischen Artenschützern und Befürwortern von Abschüssen. Inzwischen hat sich diese Diskussion wieder beruhigt, obwohl es im Frühsommer 2022 zu 3 weiteren Angriffen mit Schwerverletzten kam.
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An verschiedenen Stellen im Nationalpark sind mir Bärensymbole an Wegweisern und Hinweistafeln aufgefallen, die den Wanderer zur Vorsicht aufrufen. Aber wie soll man sich wirklich verhalten, wenn man im Wald plötzlich dem Meister Petz gegenübersteht? Ich fragte das einen slowakischen Wanderer, mit dem ich in der Sucha Bela ins Plaudern kam. Seine Antwort: "Shout at him and he will run away"!
Im Internet findet man den gegenteiligen Tip: Laut sprechen, jedoch nicht schreien und keinesfalls davonlaufen! Stattdessen soll man sich langsam rückwärtsgehend entfernen. Sollte der Bär angreifen: Auf den Bauch legen, mit den Händen den Kopf schützen und darauf hoffen, dass das Tier das Interesse verliert und verschwindet. Im Normalfall wird der Bär aber schon vorher einen großen Bogen machen, bevor der Mensch ihn sieht.
Bären mögen keinen Lärm. Deshalb findet sich im Internet auch der kuriose Hinweis, ein einzelner Wanderer tue gut daran, stets ein Glöckchen an seinem Rucksack zu befestigen...
Die Schlucht Sucha Bela
Am nächsten Morgen finde ich mich auf Grund meines ambitionierten Tagesplans schon um 8 h beim Park- und Campingplatz Podlesok am Eingang der Schlucht Sucha Bela ein. Hier ist zwar das Wärterhäuschen besetzt, die Ausstellung über Flora und Fauna aber leider geschlossen.
Vorerst geht es eine Weile eben neben oder im Bachbett in die Schlucht hinein. Sogar jetzt im Spätherbst erscheinen die steilen Hänge wie ein undurchdringliches Dickicht - wie muss das erst im Sommer aussehen? Im Gegensatz zu gestern in der Hornad Schlucht sind hier viele Menschen unterwegs, durchwegs WandererInnen aus dem Osten Europas: Ungarn, Polen, Tschechen und Slowaken.
Ich gehe eine Weile gemeinsam mit einem ungarischen Pärchen, das so oft als möglich zum wandern kommt. Zur ungarischen Grenze sind es von hier nur 60 km.
Vor uns stürzt ein schmaler Wasserfall eine Felswand herunter, der seitlich von einer Leiter begleitet wird. Ab hier wird die Schlucht zusehends steiler, der Bach fällt nun immer wieder in Wasserfällen herab und bildet unterhalb davon wunderbare Tümpel.
Der Weg wird nun äußerst abwechslungsreich. Bis zu 20 m hohe Leitern, Drahtseile zum Festhalten, schmale Gitterstege neben und über dem Bach. In den Felswänden ringsum sind viele Höhleneingänge zu erkennen.
An der engsten Stelle der hier nur einen halben Meter breiten Schlucht führt ein Metallsteg zwischen den Felsen durch, unter dem Gitter des Stegs rauscht der Bach. Mein etwas korpulenter ungarischer Begleiter muss dafür den Rucksack abnehmen und sich seitlich durchquetschen. Hinter dieser spektakulären Stelle wird das Gelände wieder etwas sanfter und der Pfad führt in Kehren durch den dichten Wald auf den Sattel Sucha bela zaver hinauf.
Hier treffen einige markierte Wege zusammen. Einer davon würde beispielsweise in Richtung Süden tief ins einsame Herz des Nationalparks führen. Zwischen den Bäumen erkennt man in dieser Richtung dicht bewaldete Hügel und weit und breit kein Zeichen von Zivilisation. Das wäre sehr verlockend, aber für dieses Mal habe ich einen anderen Plan: ich wende mich nach Osten. Der gut markierte Wanderweg führt in leichtem Auf und Ab durch verschiedene Waldlandschaften. Mal dichter Urwald mit kreuz und quer liegenden vermoderten Baumstämmen, aus denen bereits wieder Jungbäume empor sprießen.
Dann wieder Bereiche mit deutlichen Anzeichen von Baumschlägerungen und aufgegebener Waldwirtschaft.
Eine Stunde nach dem Sattel ist die Lichtung Klastorisko erreicht. An dieser weitläufigen Rodung ist leider nicht alles eitel Wonne: Neben der Ruine eines mittelalterlichen Kartäuserklosters vor dem großartigen Panorama der Hohen Tatra und einem gemütlichen "Bufet" gibt es hier auch eine ganze Reihe von offensichtlich privaten Wochenendhäuschen. Autos fahren auf schmalen Asphaltstrassen umher. Mitten im Nationalpark erscheint das Ganze doch sehr fragwürdig.
Nachdem ich mich im "Bufet" mit einer Portion hervorragender Kartoffelpuffer und einem Bier um ganze 5 Euro gestärkt habe, lasse ich den Spuk hinter mir und tauche in den Wald ein. Es geht in vielen Kehren bergab und in einer Stunde bin ich wieder am Hornad-Durchbruch, aber einige km weiter östlich von meinem gestrigen Endpunkt. Hier stehen am Fluss zwischen den steilen Hängen eingezwängt einige schöne alte Holzgebäude, offenbar ehemalige Wohnhäuser von Waldarbeitern.
Mein Rückweg nach Hrabusice führt diesmal von Ost nach West durch die Hornad Schlucht. Mehrmals wechselt der Wanderweg über wackelige alte Metall-Hängebrücken die Flussseite. Bald wird die Einmündung der Klastorisko-Schlucht passiert, die ich bereits von gestern kenne. Im Licht des späten Nachmittags herrscht eine zauberhafte Stimmung hier am Flussufer. Der letzte Teil des Weges zieht sich etwas, aber um 6 Uhr abends erreiche ich mit dem letzten Tageslicht den Schluchteingang.
Öffentliche Anbindung:
Zu den eigentlichen Nationalpark-Eingängen gibt es spärliche Busverbindungen, man kommt aber auch innerhalb von 90 Minuten zu Fuß hin. Der Süden des Gebietes kann mittels Regionalzugverbindung über Spisska Nova Ves erreicht werden. Ausgangspunkt für Wanderungen ist hier die Bahnstation Dedinky. Bahnfahren ist in der Slowakei sehr günstig - das Ticket 2. Klasse von Poprad Tatry nach Bratislava kostet unter 15 Euro.
Das Gebiet:
Die historische Region Zips in der östlichen Slowakei umfasst das Gebiet der Hohen Tatra und südöstlich davon bis zum slowakischen Erzgebirge. Das Gebiet wurde im 11. Jahrhundert von Ungarn erobert und gehörte später zum ungarischen Teil der Habsburgermonarchie, bis zur Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918. Zum slowakischen Erzgebirge zählt auch ein dicht bewaldetes und stark verkarstetes Mittelgebirge mit Seehöhen bis etwa 1100 m, das seit 1988 als Nationalpark Slowakisches Paradies geschützt ist. Und zu schützen gibt es hier einiges.
Bereits 1964 noch zu Zeiten der Sozialistischen Tschechoslowakischen Republik gab es hier ein Landschaftsschutzgebiet. Es ist eines der Naturjuwele auf dem Gebiet der ehemaligen Ostblocksstaaten, die ihre Schätze bis heute bewahren konnten. Vor allem die dichten Wälder, in Teilen noch echte Urwälder, sind in dieser Gestalt in Westeuropa kaum mehr zu finden.
Viele tief eingeschnittene felsige Schluchten sowohl an den Rändern als auch im Inneren wurden mittels tausender Sicherungen, Leitern und Stufen für ambitionierte WandererInnen zugänglich gemacht und bilden die hauptsächliche Attraktion des Gebietes. Einige der berühmtesten Schluchtenwege sind der Hornad-Durchbruch, Sucha Bela, Maly Kysel oder Sokol. Einige weitere Schluchten sind aus Naturschutzgründen für Besucher gesperrt.
Während die nördlichen und südlichen Teile des Nationalparks sehr viele Besucher anziehen, gibt es im zentralen Bereich große einsame Areale. Aber auch dorthin führen markierte Wege.
Im Westen ist es nicht weit bis zur Niederen Tatra und im Süden schließt fast unmittelbar der Nationalpark Slowakischer Karst entlang der ungarischen Grenze an unser Gebiet an. Das ermöglicht vielen Wildtieren, auch den Braunbären, durch Wanderungen Kontakte mit ihren Nachbarpopulationen aufrecht zu erhalten.
Das Slowakische Paradies ist vor allem in den Nachbarländern Ungarn, Tschechien und Polen sehr populär. Es bietet neben den spektakulären Canyons und den dichten Wäldern noch eine weitere Besonderheit: Im Süden des Gebiets kann die größte Eishöhle des Landes besichtigt werden; Die Dobschauer Eishöhle.
Geologie, Flora und Fauna:
Als Vorgebirge zum Urgestein der Hohen Tatra sind die Bergrücken des Slowakischen Paradieses aus Kalkgestein (Zips-Gemer-Karst) aufgebaut. Dessen Wasserlöslichkeit begünstigt die Bildung tiefer Schluchten und grosser Kolke unter den Wasserfällen. In den Felswänden sind zahlreiche Höhleneingänge zu sehen.
Der dichte Wald wird vor allem aus Nadelbäumen, großteils Fichten und Weißtannen, gebildet. Dazwischen sieht man kleine Buchenwäldchen und Ahornbestände. Durch klimatische Besonderheiten wachsen hier auch Arten, die man sonst nur im Hochgebirge findet, etwa Bergkiefer oder Edelweiß.
Die Tierwelt, besonders die der großen Wirbeltiere, ist osteuropäisch geprägt. Vor allem die großen europäischen Raubtiere - Wolf, Luchs und Braunbär - kommen hier noch vor. Am Hornad-Fluß leben Fischotter. Die zahlreichen Schluchten mit ihren Felswänden sind außerdem die Heimat vieler Raubvögel.
Service und Infrastruktur:
Positiv ist das Übernachtungsangebot der umliegenden Gemeinden zu erwähnen, vor allem im unteren Preissegment gibt es eine große Auswahl. Ich nächtigte gut und günstig im kleinen Ort Hrabusice in der empfehlenswerten Pension Yellow Paradise, von welcher alle wichtigen Zugänge in den nördlichen Parkbereich in einer knappen Stunde Fußmarsch erreichbar sind. Direkt beim Einstieg in die spektakuläre Schlucht Sucha Bela bietet der Campingplatz Podlesok neben den Stellplätzen auch Hütten zur Vermietung an. Gleich daneben gibt es Zimmer in der Ranch Podlesok. Die Selbstversorgung vor allem für öffentlich Reisende ist etwas schwieriger zu organisieren. In Hrabusice etwa gibt es kleine Lebensmittelgeschäfte, die aber verstreut in dieser weitläufigen Siedlung liegen und bereits um 17h schließen. In der Stadt Spisska Nova Ves am nordöstlichen Rand des Nationalparks befinden sich Supermärkte, Hotels und Restaurants, dafür dauert der Zugang zu den interessanten Parkbereichen deutlich länger.
Hervorragend ausgebaut ist das Wegenetz im Nationalpark, auch die deutlichen Markierungen sind hilfreich. Die spannende Wegführung durch die Canyons über Leitern, Brücken und Stege sind ohnehin eines der Highlights des Nationalparks. Ein wenig Schwindelfreiheit sollten die BegeherInnen dabei aber mitbringen.
Vereinzelt stehen Infotafeln mit Erklärungen der Flora und Fauna, manchmal nur in slowakischer Sprache, dann wieder auch in englisch. Das Informationszentrum beim Schluchteingang in Podlesok war leider bei meinem Besuch geschlossen.
In manchen Lokalen der umliegenden Ortschaften und bei verschiedenen Vermietern kann man die sehr gute und hilfreiche Wanderkarte "Slowensky Raj" im Maßstab 1:25000 kaufen. An einigen zentralen Punkten, etwa bei der Klosterruine Klastorisko, bieten "Bufets" Speisen und Getränke an.
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