6: NATIONALPARK VESUV , ITALIEN
NATIONALPARK VESUV , Kampanien, Italien
Größe: 73 km2
Gegründet: 1991
Besucht: Februar 2023
Charakteristik: In unmittelbarer Nachbarschaft der Millionenstadt erhebt sich der berühmte Vulkan Vesuv wie ein Inselberg aus der Ebene am Golf von Neapel. Das gesamte Bergmassiv wird durch einen kleinen Nationalpark geschützt. Die historischen Stätten Herculaneum und Pompeij liegen knapp außerhalb. Abgesehen von der Möglichkeit, die Spuren kürzlich erfolgter und immer noch bestehender (verborgener) Vulkanaktivität zu beobachten, taucht der Besucher mit Betreten des Schutzgebietes in ein urwaldähnliches Dickicht ein.
Der Kontrast zum umgebenden urbanen Chaos könnte nicht größer sein.
Der berühmteste Vulkanausbruch der Geschichte ereignete sich im Jahr 79 nach Christus, als die antike Stadt Pompeji unter riesigen Aschewolken und anderen Auswurfmaterialien begraben wurde. Man schätzt, dass 10000 Menschen starben. Gleichzeitig verschüttete eine durch den Ausbruch gebildete Mure das unmittelbar am Hang gelegene Herculaneum. Durch die Explosion wurde die Vulkanspitze in die Luft gesprengt und übrig blieb nur ein Teil der nördlichen Caldera, der heutige Monte Somma. Der nunmehrige Hauptkegel bildete sich in den folgenden Jahrhunderten heraus.
Als Johann Wolfgang von Goethe 1787 im Rahmen seiner "Italienischen Reise" den Vesuv bestieg, berichtete er noch : "...bis wir endlich unter ungeheurem Dampfgewölke die Lava hervorquellen sahen.." Im März des vorletzten Kriegsjahres 1944 erfolgte der bisher letzte Ausbruch des Vesuv. Damals floss die Lava durch das Valle del Inferno und das Valle Gigante talwärts, Asche und Bimsstein regnete es noch bis Salerno.
Fumarolen im heutigen Krater |
Bei dieser Eruption stürzten die Seitenwände des Kraters ein und verstopften den Vulkanschlot. Beim nächsten explosiven Ausbruch rechnen die Vulkanologen damit, dass diese Trümmer mit ungeheurer Wucht herausgeschleudert werden.
Heute präsentiert sich der Vesuv auf den ersten Blick recht harmlos. Im Hauptkrater sieht man viele Fumarolen, aber keine Lava oder ähnlich spektakuläre Erscheinungen. Dennoch gilt der Vulkan unter Fachleuten als potentiell gefährlich. Im Großraum Neapel leben 3 Millionen Menschen, eine umfassende rechtzeitige Evakuierung wäre bei einem ähnlichen Ausbruch wie im Jahr 79 kaum zu machen.
Doch es gibt einen noch bedrohlicheren Vulkan in unmittelbarer Nähe: Westlich vor den Toren Neapels liegen die "Phlegräischen Felder". Hier dampft und stinkt es an vielen Stellen, am auffälligsten im Krater "Solfatara" bei Pozzuoli. Dieses Gebiet gilt als einziger "Supervulkan" Europas und als eine der vulkanisch aktivsten Regionen der Erde. Ein Ausbruch der Phlegräischen Felder hätte wahrscheinlich weltweite Auswirkungen.
Mein Nationalpark: Februar 2023
Gestern habe ich den touristischen Teil "abgearbeitet" und mit Zubringerbus, Eintrittskarte und nur 200 Höhenmeter Aufstieg den Hauptkrater des Vesuv besucht. Heute wird sich der Tag ganz anders gestalten: Vesuv "by fair meanes" : 950 Höhenmeter Aufstieg von Ottaviano bis zu einem Nebengipfel des Monte Somma, dem von Touristen zumeist unbeachteten Nachbarmassiv.
Zunächst aber gilt es, die kilometerweit den Vesuv-Abhang hinaufziehende Stadt Ottaviano hinter mir zu lassen, was fast eine Stunde in Anspruch nimmt. Unmittelbar nach den letzten Häusern beginnt der Nationalpark - ohne irgendeinen Hinweis auf einen Wanderweg, dafür mit einer ausgedehnten illegalen Mülldeponie am Waldrand. Keinerlei Markierungen oder Wegweiser sind zu sehen. Ich versuche es mit einer bergauf in den Wald führenden, vernachlässigten Betonstrasse.
Eine Viertelstunde später, als ich eben überlege, umzukehren und am Stadtrand nachzufragen, ist weiter oben durch das Dickicht eine Hinweistafel zu sehen. Tatsächlich: "Benvenuti nel Parco Nazionale." Na also. Ab hier steigt ein breiter Weg aus schwarzem vulkanischen Sand in vielen Kehren durch den dichten immergrünen Wald an.
In 700 m Seehöhe treffe ich auf eine Verzweigung: Rechts wird der direkte Weg auf die Cognoli di Ottaviano angezeigt, mein heutiges Ziel. Links geht es aber in das Valle del Inferno, das ich auch unbedingt sehen möchte. Also fällt die Entscheidung für diesen Umweg.
Der Weg führt sanft ansteigend den Hang entlang, mit schönen Ausblicken auf die östlich gelegene Ebene und die Bergspitzen bei Sorrent. Überrascht vernehme ich Motorengeräusche. Ein Landrover mit dem Aufdruck des Nationalparks kommt mir entgegen und hält genau neben mir an. Bin ich etwa auf gesperrtem Gelände? Der Parkwächter lässt das Fenster aufgleiten : "Tutto bene?" Er ist sichtlich verblüfft, während dieser Jahreszeit tatsächlich einen Wanderer anzutreffen. Als ich ihm mein Ziel erklärt habe, mustert er mich skeptisch von oben bis unten und kommt schließlich zum Schluss, dass dieser Senior offenbar gut ausgerüstet und rüstig genug ist. "Be careful!" In 900 m Höhe ist das "Valle dell Inferno" erreicht, eine Senke zwischen dem Hauptkegel und dem Monte Somma. Auch hier floss 1944 die Lava. Zwischen abgestorbenen Baumstämmen sind viele verschlungene Gesteinsstrukturen aus erkaltetem Eruptivgestein zu sehen, sogenannte "Stricklava". Langsam beginnt sich hier ebenfalls wieder niederer Buschwald auszubreiten. Am Rande des Valle del Inferno wurde ein Rastplatz mit Tischen und Bänken angelegt. Daneben steht eine kleine Säule mit Heiligenfiguren und Bittsprüchen.
Die Bevölkerung ist sich der Gefahr bewusst, die ständig vom Vulkan ausgeht, und wendet sich an ihren Gott um Beistand. Gestern habe ich direkt am Hauptkrater einen ähnlichen frommen Versuch entdeckt, diese Bedrohung abzuwenden.
Ein Wegweiser leitet zu einem Steilaufstieg, der zum eigentlichen Somma-Gipfelgrat führt. Nur noch 200 Höhenmeter. Der Untergrund aus lockerem vulkanischen Granulat macht den Aufstieg jedoch ähnlich mühsam wie an einer Schotterhalde in den Alpen und ich gewinne nur langsam an Höhe.
Am letzten ungeschützten Teilstück bläst mir eiskalter Wind ins Gesicht, die Ausblicke hinüber zum Vesuv-Hauptkrater sind es aber allemal wert.
Schließlich stehe ich am Gipfel des Cognoli di Ottaviano (1112 m). Der höchste Punkt des Somma - Massivs ist die markante Punta Nasone, die allerdings von hier ohne Kletterei nicht zu erreichen ist. Zurück wähle ich anfangs einen anderen Weg mitten durch das Dickicht des Valle dell Inferno. Eine wahre Naturoase, dieser Nationalpark. Und das inmitten einer der am dichtest besiedelten Regionen Europas.
Meine Bewertung: Größe: 2 Highlights: 8 Bedeutung: 8 Wildnis: 7 Service: 5 Öffis: 7
Bewertung: 6,1
Das Gebiet:
Der Golf von Neapel präsentiert sich als dichtest besiedelte urbane Landschaft mit über 3 Millionen Einwohnern. Neapel mit seinen Vororten geht ohne sichtbare Grenze in zahlreiche kleinere Städte und Gemeinden über, das fast nahtlos bebaute Gebiet reicht beinahe bis Sorrent. Daraus erhebt sich südwestlich von Neapel der 1281 m hohe Vesuv als wahre Naturoase aus der Ebene. Obwohl die Bebauung bis an die Grenzen des Nationalparks reicht, findet man sich innerhalb des Parks in einem dichten, immergrünen Walddickicht wieder.
Der formschöne Vulkankegel wird vom "Il Cono" genannten Hauptgipfel gekrönt, der interessante Einblicke in einen momentan ruhenden Vulkankrater gestattet. Vom Kraterrand reicht der Blick nach Neapel und zur Insel Capri.
Nordöstlich des Il Cono erhebt sich das Massiv des Monte Somma, das eigentlich die ursprüngliche Caldera des beim Ausbruch 79 nach Chr. abgesprengten "Urkraters" darstellt. Dazwischen bietet sich im Valle del Gigante der Anblick des erkalteten Lavastroms vom letzten Ausbruch im Jahr 1944, auch im südöstlich angrenzenden Valle del Inferno sind die Überbleibsel der Eruption gut zu erkennen.
Die Form des Nationalparks ist nahezu rund mit einem Durchmesser von gut 8 km. Unmittelbar südwestlich liegt die antike Stadt Herculaneum, südöstlich davon die Ruinen von Pompeji.
Geologie, Flora und Fauna
Nahezu alle Gesteine im Nationalpark sind vulkanischen Ursprungs. Der Vesuv ist ein sogenannter Schichtvulkan. Im Hauptkrater sind die verschiedenen Schichten aus erkalteter Lava und Lockermaterial gut zu erkennen. Eindrucksvolle Zeugen vergangener Ausbrüche sind vor allem der Lavastrom im Valle del Gigante und die Formationen von Stricklava im Valle del Inferno.
An den Kraterrändern des Il Cono fallen gelbgrüne Flechten ins Auge, die als anspruchsloseste Lebensform in diesen Extremregionen gedeihen können. Die oberen Hänge sind fast vegetationslos und mit grauem Lavageröll bedeckt. Unterhalb von 800 m beginnt ein dichter immergrüner Wald mit Steineichen, Kastanienbäumen und Ginster.
Die Tierwelt ist nicht sonderlich artenreich, dennoch ist der Park eine Überlebensoase für Wildkaninchen, Fuchs und Steinmarder.
Mit Glück kann man auch Smaragdeidechsen und Zornnattern entdecken, allerdings kaum im Februar. In jedem Fall bietet der Nationalpark im weiten Umkreis den einzigen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.
Öffentliche Anbindung und Service:
Als Standquartier bietet sich natürlich das angrenzende Neapel mit vielen Unterkünften in allen Preisklassen an. Die Hauptstadt Kampaniens hat ohne die unzähligen Vororte ungefähr 1 Million Einwohner. Neapel ist aus Österreich und Deutschland gut mit der Bahn zu erreichen. Ich reiste mit dem Nightjet-Liegewagen von Wien an, mit Umsteigen in Bologna war ich am nächsten Tag bereits am Vormittag in Neapel. Im Nahverkehr erweist sich die sogenannte Circumvesuviana als sehr praktisch, eine Art klapprige S-Bahn, die den Vesuv umrundet. Für den Besuch des Hauptkraters steuert man den Bahnhof Ercolano Scavi an. Unmittelbar neben der Station verkauft ein Reisebüro Tickets für den Bus bis zum Endpunkt in 1000 m Seehöhe, von wo noch 200 Höhenmeter Aufstieg zu Fuß zu bewältigen sind. Im Preis von 20 Euro ist auch die Eintrittsgebühr zum Krater enthalten. Beim Kontrollpunkt warten zumeist lizensierte Guides für eine (nicht unbedingt nötige) Führung am Krater.
Als Ausgangspunkt für einen der abgelegeneren Aufstiege zum Monte Somma steigt man wie ich in Ottaviano oder alternativ in Somma Vesuviana aus. Lange markierte Wege führen von dort durch den Wald empor, sind aber anfangs etwas schwierig zu finden. Im den höheren Lagen sind die Wege besser markiert und gewartet.
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