7. NATIONALPARK CILENTO , ITALIEN

NATIONALPARK CILENTO , Kampanien , Italien














Größe:  1810 km2

Gegründet:  1991

Besucht:  Februar 2023





















Charakteristik:  Der Cilento ist eine gebirgige Region mit schönen Küstenlandschaften am Tyrrhenischen Meer im südlichen Kampanien. Der zweitgrößte italienische Nationalpark umfasst einen Großteil davon und wurde 1991 unter anderem deshalb geschaffen, um Grundstücksspekalutionen und die drohende Verbauung der noch weitgehend unberührten Küstenabschnitte zu verhindern. Dabei ist dieser Landstrich uraltes Kulturland. Bereits in der Antike siedelten sich hier griechische Kolonisten an.  Der höchste Berg Kampaniens befindet sich im Nationalpark: Der Monte Cervati erreicht 1898 m.  Ganz im Süden in der Nähe der Küste erhebt sich der Monte Bulgheria mit seiner mächtigen Ostwand. Das Schmuckstück der Region ist jedoch die felsige, urtümliche Steilküste zwischen Marina di Camerota und dem Städtchen Scario.

Mein Nationalpark:  Februar 2023
Verpasster Gipfel und traumhafter Küstenweg

Der Monte Bulgheria und das Hinterland der Masseta-Küste






















Teil 2 meiner Italienreise hat den Cilento Nationalpark im Süden Kampaniens zum Ziel, knapp 100 km südöstlich von Neapel. Während des Ankunftstags schüttet es am Golf von Policastro wie aus Kübeln. Am folgenden Morgen ist es zwar eiskalt, aber die Sonne scheint vom blitzblauen Himmel. Ich plane heute den 1225 m hohen Monte Bulgheria zu besteigen und anschließend vom Gipfel bis ans Meer hinunter zu wandern. Der erste Bus des Tages hält im oberen Ortsteil von San Giovanni di Piro, einem traumhaft gelegenen Dorf am Südhang des Monte Bulgheria in 400 m Seehöhe. 
Dank meines Wanderführers ist der richtige Weg rasch gefunden. Auf einem verschneiten Feld scharren zwei Esel im Schnee. Ich tue es ihnen gleich, denn am Weg liegt ebenfalls Schnee, der mit größerer  Höhe zusehends tiefer wird. Dafür öffnen sich erste großartige Blicke auf San Giovanni hoch über dem Golf von Policastro. Es dürfte in den letzten Tagen kräftig geschneit haben, auf den Zweigen des immergrünen Waldes bietet der Neuschnee einen hübschen Anblick. Nun wird es mühsamer, denn die Füße sinken fast einen halben Meter ein. Meine Schneeschuhe gehen mir ab, aber wenigstens habe ich Gamaschen mit. Von einer Markierung ist nichts zu sehen, diese befindet sich vermutlich unter der Schneedecke. Dafür rückt langsam der Gipfelaufbau ins Blickfeld. Von rechts oben quert eine Tierspur mit , wie mir vorkommt, enorm großen Abdrücken den Weg und verschwindet links wieder im Wald. Was kann das bloß gewesen sein? In 900 m Seehöhe führt der Weg aus dem Wald heraus und den felsigen Hang hinauf Richtung Gipfel. Hier im freien Gelände liegt deutlich weniger Schnee und guter Dinge steige ich rasch höher.
Aus 900 m Seehöhe erschien der Weg zum Monte Bulgheria noch recht harmlos


  












Leider kommt meine Zuversicht verfrüht. Der Höhenmesser zeigt 1050 m, als ich vor einer Eisplatte stehe, die den Weiterweg blockiert. Die kann ich zwar oberhalb umgehen, aber hundert Meter weiter stoße ich bei einer kleinen Blockkletterei neuerlich auf vereiste Stellen. Mist, es scheint so weiter zu gehen, und das nur 200 Höhenmeter unterhalb des Gipfels. Angesichts des Umstands, dass ich weit und breit die einzige Menschenseele bin, entschließe ich mich nach einiger Überlegung zur Umkehr. Wie heißt es doch so schön: Es gibt waghalsige Bergsteiger und es gibt alte Bergsteiger. Aber es gibt keine waghalsigen alten Bergsteiger...
Der Golf von Policastro, dahinter die Berge der Basilikata






















Am Rückweg löst sich das Rätsel der Tierspur: Neben dem Weg steht im knietiefen Schnee eine einsame Kuh und glotzt mich an. 2 Stunden später gönne ich mir in San Giovanni zum Trost für den entgangenen Gipfel einen Cappuccino in der Sonne. Wie eine Aussichtsterrasse liegt dieser Ort hoch über dem Golf von Policastro. Die verschneiten Berge dahinter befinden sich bereits in der Provinz Basilikata. 
Einsiedlerhöhle
Hinter den letzten Häusern des Städtchens beginnt ein Wanderweg, wo Schilder zur
Wallfahrtskirche "Santuario Maria di Pietrosanta" hinweisen. Vorher macht der Pfad einen Schlenker bergab und führt an einer Felswand im Wald vorbei, in der sich eine alte Einsiedlerhöhle befindet. Mehrere Öffnungen sind mit Fenstergittern versehen. An einer Stelle lässt sich über Blöcke kriechend in den den Höhlenraum eindringen, wo aus dem Felsen gehauene Raumformen und Sitzbänke zu erkennen sind. Leider ist die davor befindliche Erklärungstafel in italienisch abgefasst. Nach allerhand verwinkeltem Auf und Ab, geleitet vom Wanderführer und etwas Gespür, geht es hoch über dem Thyrrenischen Meer eben dahin, an einem großartig gelegenen Fitness-Parcours vorbei, zum Aussichtspunkt Pianoro. Laut meiner Karte sollte hier ein markierter Weg beginnen, der durch den Steilhang der Masseta-Küste über 400 Höhenmeter hinunter ans Meer und weiter bis zum Ort Scario führt. Tatsächlich gibt es diesen Weg, und er sollte sich als einer der schönsten erweisen, die ich je gegangen bin.
Hoch über der Masseta-Küste




















Vorerst geht es über kahle Hänge, später dann durch dichte Macchia bergab. Auch hier stehen einige Kühe herum, wenigstens nicht im Schnee. Der Ausblick über Küste und Meer ist unvergleichlich schön. An diesem Küstenabschnitt gibt es keine Strassen und keine Hotels, ein Umstand, für den vermutlich der Nationalpark hauptverantwortlich ist. Die Markierungen sind gut, die Sonne scheint warm, und es fühlt sich großartig an, hier zu wandern. Bereits weit unten passiert der Weg einen alten Sarazenenturm, bevor er in einen parallel zum Meer verlaufenden Pfad mündet. Dieser führt zu einigen versteckten Badestränden, die im Sommer auch per Boot erreicht werden können.  Eine halbe Stunde später ist die Bushaltestelle in Scario erreicht, und ich bin um ein tolles Wandererlebnis reicher.









 









Meine Bewertung:  Größe: 9   Highlights: 5   Bedeutung: 8   Wildnis: 5   Service: 4   Öffis: 5

Bewertung:   6,0



Das Gebiet:  Der "Nationalpark Cilento und Vallo di Diano" , wie er exakt bezeichnet wird, ist beeindruckend gross, umgelegt würde er fast 75 % der Fläche Vorarlbergs ausmachen.  Die Bedeutung von 1810 km2 Nationalpark-Größe kann man nur ermessen, wenn man sich die Bevölkerungsdichte, den Flächendruck und die Wichtigkeit des klassischen Badetourismus auf der Appeninenhalbinsel vor Augen führt.  Der Park reicht vom Golf von Salerno bis zum Golf von Policastro und beherbergt an der Küste eine Reihe lebendiger Orte wie Pisciotta, Palinuro, Ascea oder Scario, wo im Sommer auch lebhafter Badebetrieb stattfindet. Das ausgedehnte Hinterland wirkt dagegen teilweise entvölkert und liegt abseits der wichtigen Verkehrswege. Dort sind auch bisweilen völlig verlassene Dörfer zu finden, ein Beispiel dafür ist das Geisterdorf San Severino bei Centola. 
Das Geisterdorf San Severino auf einem Felsen oberhalb der Mingardo-Schlucht




















Im Vergleich zu anderen Regionen des italienischen Südens finden sich im Cilento noch viele stille Plätze mit größtenteils intakter Natur - ein gutes Beispiel, was die Errichtung eines Nationalparks auch in Regionen mit jahrtausendealter Siedlungsgeschichte bewirken kann.

Geologie, Flora und Fauna: 










Der Cilento besteht aus Sedimentgestein - im Westen aus Sandstein, weiter südlich und östlich herrscht Kalkstein vor. Entsprechend haben sich viele Höhlen vor allem an den felsigen Küstenabschnitten gebildet. Im oberen Bussentotal ganz im Osten des Nationalparks ist ein interessantes Karstphänomen zu beobachten: Der Bussento - Fluss verschwindet bei Caselle im Boden, um einige Kilometer weiter südlich bei Morigerati aus einer Höhle wieder ans Tageslicht zu treten. (was mich als alten Höhlenforscher natürlich brennend interessiert hätte; leider verhinderte die im Winter nicht vorhandene öffentliche Anbindung einen Besuch).  Im Landesinneren stehen dichte Wälder aus Erlen und Steineichen , an der Küste ist typische Mittelmeervegetation mit Macchia, Pinien und Olivenbäumen anzutreffen. Außerdem ist hier im Frühling die endemische Palinuro-Primel zu finden. Die Tierwelt ist nicht sehr zahlreich vertreten. In den zentralen, abgelegenen Bergen sollen einige Wolfsrudel hausen, sonst handelt es sich bei den größten Säugetierarten um Wildkatzen und Hasen. 

Öffentliche Anbindung und Service:  


Mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossen ist leider nur der küstennahe Bereich des Cilento Nationalparks. Hier verläuft die wichtige Bahnstrecke Neapel - Reggio di Calabria und bietet etwa alle 2 Stunden eine Regionalzugverbindung an. Die Bahnhöfe befinden sich allerdings teilweise mehrere Kilometer außerhalb der Orte. Die großartige Masseta-Küste ist ohnehin nur zu Fuss erreichbar.
Im Hinterland sieht es (zumindest außerhalb der Saison) wesentlich trauriger aus. Es existieren zwar Buslinien, aber nicht alle bieten mehrere Verbindungen täglich an. Deshalb sind Tagesausflüge mit den Öffis zu bestimmten Punkten im Landesinneren einfach nicht machbar. 
Wieder einmal ist alles auf den Individualverkehr zugeschnitten - nicht mehr wirklich zeitgemäß.
Eine praktische Buslinie verkehrt von Sapri über Policastro nach Scavio und San Giovanni di Piro mit mehreren Verbindungen täglich, womit man das Bulgheria-Gebiet und die Masseta-Küste gut erkunden kann. 
Ein nationalparkbezogener Service wie noch am Vesuv ist hier nicht erkennbar. Kaum Infotafeln der Nationalparkverwaltung, nicht einmal eine eigene Website scheint es zu geben.  Zumindest sind die wichtigsten Wanderwege ausreichend markiert. 







 













Bisher besuchte Nationalparks:

Eifel , Deutschland , 2022
Slowakisches Paradies, Slowakei, 2022
Oosterschelde, Niederlande, 2022
Thayatal, Österreich, 2023
Podyji, Tschechien, 2023
Vesuv, Italien, 2023
Cilento, Italien, 2023

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