19. NATIONALPARK ALTA MURGIA, ITALIEN

 














Das Alta Murgia Plateau von Süden bei Garignone. Foto: Willi Tauber

















Größe:   Bedeutung:   6  
Highlights:   4
Wildnisfaktor:   
Service:   8    
Öffentliche Erreichbarkeit:   2

Bewertung:    5,0






















Typischer Trullo als Hirtenunterstand , Foto: Willi Tauber










Parco Nazionale della Alta Murgia  Apulien,  Italien

Größe:   680  km2
Gegründet:   2004
Besucht:   Oktober  2023

Charakteristik:   Westlich von Bari erhebt sich aus der apulischen Tiefebene ein ausgedehntes Karstplateau: Die Murgia.  In dieser fast menschenleeren Region wechseln einander unwirtliche graubraune Hügelketten,  felsige Karstflächen und karge Weidelandschaften ab.  Zahlreiche Karsterscheinungen wie kleine Höhlen und riesige Dolinen, die hier als "Pulos" bezeichnet werden,  findet man überall.  Verstreut über das ganze Gebiet stehen Zeugnisse menschlicher Bewirtschaftung: Halb verfallene "Masserias" (Bauern- bzw. Gutshöfe) und "Jazzi" (Unterstände der Hirten) in kegelförmiger Trullo - Bauweise. Innerhalb der heutigen Nationalpark - Begrenzung ließ der Stauferkaiser Friedrich II im 12. Jahrhundert mehrere Burgen errichten. Das berühmteste und ein Wahrzeichen der Region ist das wuchtige "Castel del Monte".  Die Mischung aus karger Ödnis und den Spuren mühsamer menschlicher Bewirtschaftung hier im "Mezzogiorno" macht den speziellen Reiz dieses Nationalparks aus.
Castel del Monte ,  Foto: Willi Tauber
















Mein Nationalpark (Oktober 2023):   Dieser Nationalparkbesuch beginnt mit einer Niederlage für meine autofreien Ambitionen. Ich gebe schließlich auf Grund der Umstände klein bei und miete mit meinem Reisebegleiter Willi für zwei Tage einen Wagen.  Rasch nach unserer Ankunft in der Stadt Gravina in Puglia hatten wir festgestellt, dass es leider keinerlei öffentlichen Transport in den Park gibt.  Plan B sah Leih-Fahrräder vor, aber auch diese sind ohne längerfristige Reservierung nicht zu bekommen. Und wenn ja, dann nur bei einer "Masseria" mitten im Nationalpark, wofür man aber wiederum einen Wagen benötigt. Taxis sind teuer und erfordern ebenfalls Vorreservierung.  Einzig das Leihen eines Autos funktionierte günstig und problemlos - eine absurde Situation in Zeiten des Klimawandels.
Der Pulo di Altamura, Foto: Willi Tauber


















Nördlich der Stadt Altamura präsentiert sich das Murgia-Plateau als ebene, steinige Hochfläche. Weite Areale beim Zugang zum Pulo di Altimura sind schwarz verkohlt - ob absichtlich abgefackelt oder in Folge der Trockenheit entzündet erschließt sich uns nicht. Dann stehen wir an der Kante des eindrucksvollen runden Einbruchs. Das 500 Meter durchmessende Loch ist von Felswänden gesäumt, am Grund erkennt man dichte Buschvegetation.  Im Nordosten der Einbruchsdoline läßt sich ein Weg ausmachen, der offenbar in den Pulo hineinführt. Die Wanderung am Felsrand entlang geht langsam vor sich, denn Willi hat einen guten Blick für das reiche Kleintier- und Insektenleben als Fotomotiv. Zuerst bewundern wir lange eine gut 7 cm große Gottesanbeterin, gleich darauf eine große schwanzlose Eidechse beim Verschlingen eines Insekts. Der Weg in den Pulo erweist sich als gut markiert und ist teilweise mit Geländer versehen. Unter den eindrucksvollen Felsabbrüchen schlängelt sich der Pfad entlang, die Hitze brütet hier im Kessel jetzt im Oktober noch ungewöhnlich stark. 
Gottesanbeterin , Foto: Willi Tauber








In den Felsen befinden sich viele kleinere Höhleneingänge. In einem davon suchen wir Schutz für eine schattige Pause. Zahlreiche Federn liegen darin herum, vom betreffenden Vogel sicherlich nicht freiwillig abgeworfen. Nachdem wir in halber Tiefe den Karsteinbruch zum Teil umrundet haben, führt der Weg wieder zum Rand hinauf. Dann geht es unter der sengenden Sonne über das karge, brettebene Hochland zum Mietauto zurück.  Gestern hatten wir völlig anders aussehende Teile der Murgia besucht. Das Castel del Monte Friedrichs des II. erhebt sich auf einem bewachsenen Hügel am nordwestlichen Rand des Plateaus. Im Schatten dieser wuchtigen Burg bot sich ein schöner Blick über das umgebende flache Apulien bis zum weißen Häusermeer von Bari. Später durchquerten wir die Murgia auf schmalen Landstraßen von Nord nach Süd, an kargen Hügeln und kleinen Dörfern vorbei. Immer wieder stehen "Sassi" neben der Straße. Das sind alte Unterstände für Hirten, die als Trulli errichtet wurden - runde Legesteingebäude mit kegelförmigen Dach. Diese architektonische Besonderheit gibt es nur hier in Apulien. An den roten Felsbildungen der "Morgetta Rossa" und den Felsmonolithen von Garagnone vorbei erreichten wir spätabends wieder unseren Stützpunkt Gravina.

Masseria im Nationalpark,  Foto: Willi Tauber















Das Gebiet:  Die Murgia ist altes apulisches Kernland.  Obwohl die Böden der Karsthochfläche steinig und wenig fruchtbar sind, betreiben die apulischen Bauern hier oben seit dem frühen Mittelalter Landwirtschaft. Auch heute sind noch Äcker, Olivenhaine und Schafweiden über das Gebiet verteilt. Dazwischen bleibt noch Platz für Naturräume wie felsige Karstflächen und verfilzte Wäldchen.  Der Nationalpark Alta Murgia ist vergleichsweise ausgedehnt: 680 km 2 Grundfläche in Seehöhen zwischen 400 und 680 m über der Adria. Ringsherum ist das Land dicht bevölkert: Städte wie Corato und Ruvo im Norden sowie das schöne Gravina und Altamura im Süden zählen jeweils an die 50.000 Einwohner.  Die ersten Bewohner der Murgia sind allerdings weitaus älteren Datums: 
"altamura man" (Bild: Internet)
Im südöstlichen Bereich des Nationalparks entdeckten im Oktober 1993 Forscher in einer Höhle das beinahe vollständig erhaltene Skelett eines erwachsenen Mannes, dem "Altamura man". Durch verschiedene radiometrische Methoden wurde ein Alter von etwa 130.000 Jahren datiert.  Vermutlich handelt es sich um das Exemplar eines Neandertalers.  Das Skelett befindet sich nach wie vor am abgesperrten Fundort, denn die Überreste sind fast zur Gänze von Sinterablagerungen überwuchert.


Foto: Willi Tauber













Geologie, Flora und Fauna:   Das Plateau der Murgia wird aus Kalkgesteinen aus der Kreidezeit aufgebaut und die zahlreichen Karsterscheinungen sind auch überall anzutreffen, am spektakulärsten  präsentieren sich die großen runden Karsteinbrüche ("Pulos") mit senkrechten Felsabbrüchen. Auffällig sind die oftmals rötlich gefärbten, metallhaltigen Böden, sie sorgen mancherorts für stimmungsvolle Pastelltöne. Am südwestlichen Rand der Hochfläche bei Spinazzola wurde früher Bauxit abgebaut.  Ganz im Südosten des Parks sind Spuren von Dinosauriern erhalten geblieben.
Bäume sind hier eher die Ausnahme, nur an den Plateaurändern finden sich richtige Wäldchen.
Der Großteil der Flora läßt sich am ehesten als Steppenvegetation bezeichnen, dazwischen gedeiht Buschwerk und bei den Masserias vereinzelte Zypressen und Olivenhaine.  
Flugheuschrecken gibt es hier viele  (Foto: Willi Tauber)













Das Wappentier des Nationalparks ist der Turmfalke,  weitere bemerkenswerte Vögel sind die Schleiereule und der Steinkauz.  An Reptilien haben wir sehr viele Grüne Eidechsen gesehen. Als Schlangenliebhaber hatte ich vergeblich auf entsprechende Sichtungen gehofft. Jedenfalls kommen zwei interessante Schlangenarten hier vor: Die der Kreuzotter ähnliche Aspisviper und die Östliche Eidechsennatter, eine große Trugnatter.  Die am häufigsten zu beobachtenden Tiere gehören zu den Insekten. Besonders im Pulo di Altamura schwirrten dutzende Flugheuschrecken um uns herum.  Einige Arten dieser faszinierend anzusehenden Tiere haben ein schlechtes Image. In den Tropen und Subtropen können sich sich hunderte Millionen Exemplare als Schwarm zusammenschließen und riesige Landstriche kahl fressen.

Bei der engagierten Nationalparkverwaltung
  Service und öffentliche Erreichbarkeit
Die Verwaltung des Nationalparks befindet sich in Gravina in Puglia, wo wir zuallererst vorstellig wurden. Nach anfänglicher Überraschung begegnete man uns dort mit enthusiastischem Engagement und vergeblichen Versuchen, uns bei der Ausleihe von Fahrrädern behilflich zu sein. Dort liegt auch umfangreiches Infomaterial in englischer Sprache auf.  Im Internet finden sich auch private Anbieter für geführte Touren in den Park. Einzig und allein der individuell organisierte Besuch mit Öffis scheint nicht vorgesehen zu sein.  Das Ausleihen von Mountainbikes in den umliegenden Orten ist zwar möglich, erfordert jedoch längerfristige Vorausbuchung. 
Mit dem Bus durch das ländliche Apulien
Die öffentliche Anreise erfolgt per Bahn in die apulische Metropole Bari knapp vor dem "Absatz" des italienischen Stiefels, von wo man mit Lokalzügen noch recht einfach bis Gioia del Colle gelangt. Ab hier wird es mühsamer. Die einstige Bahnlinie an der südöstlichen Grenze der Murgia entlang ist seit einigen Jahren eingestellt, die Gleise wurden bereits teilweise entfernt.  
Stattdessen wird heute der öffentliche Verkehr nach Altamura und Gravina mehr schlecht als recht mit Kleinbussen abgewickelt. Von diesen Standorten in Richtung Nationalpark geht dann öffentlich gar nichts mehr. Im Norden wird zumindest das Castel del Monte innerhalb des Nationalparks von einer Buslinie mit der Stadt Andria verbunden.  




Foto: Willi Tauber

Foto: Willi Tauber









































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