36. NATIONALPARK DARTMOOR , DEVON , UNITED KINGDOM
NATIONALPARK DARTMOOR
Devonshire , England
Größe: 954 km2
Gegründet: 1951
Besucht: Dezember 2024
Charakteristik: Das Dartmoor ist eine windgepeitschte Hügel- und Moorlandschaft in der südwestenglischen Grafschaft Devon. Die zumeist baumlosen Hänge und Hochflächen werden intensiv zur Schafzucht genutzt, in den Flusstälern wachsen verkrüppelte Wäldchen. Auf vielen Hügelkuppen befinden sich natürliche Felsbildungen aus aufgetürmten Granitblöcken, die im Dartmoor "Tor" genannt werden. Über das gesamte Gebiet verstreut zeugen bronzezeitliche Steinsetzungen von jahrtausendelanger menschlicher Anwesenheit in dieser Region.
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Wanderweg im nördlichen Dartmoor |
Mein Nationalpark (Dezember 2024): Ich muss um die zwanzig gewesen sein, als ich Arthur Conan Doyles "Der Hund von Baskerville" zum ersten Mal gelesen habe. Seither taucht immer, wenn von diesem Ort die Rede ist, das Bild einer düsteren, nebelverhangenen Wildnis in meinem Kopf auf, wo man unweigerlich im Moor versinkt, wenn man vom schmalen Pfad abweicht. Doyle selbst ließ seinen Romanbösewicht am Ende ja tatsächlich auf diese Weise umkommen. Heute bin ich wirklich hier und alles sieht ganz anders aus. Das Wort "Wildnis" fällt mir nicht als erstes ein. Dann und wann gibt es zwar morastige Stellen, aber man würde sich schwer tun, darin zu versinken. Nur der Regen, der Schlamm und der Nebel fühlen sich stimmig an. Auch unter diesen knorrigen, verbogenen Baumstämmen könnten Sherlock Holmes und Dr. Watson dahingestapft sein, um eifrig über die Aspekte des Falles zu diskutieren.
Es handelt sich um ein riesiges, dünn besiedeltes Gebiet, das mehr als ein Siebtel der Fläche Devons einnimmt. Ich habe nur die Möglichkeit, den äußeren Norden und Süden des Nationalparks zu erkunden. Hier, nur wenige Kilometer südöstlich des Städtchens Okehampton, stapfe ich durch niedriges Gestrüpp und über Schafweiden, um ein Monument aus der frühen Bronzezeit zu finden - den "Nine Stones Circle". Er soll sich nahe des Weilers Belstone auf einer Hügelkuppe befinden. Belstone, das aus genau zwei Farmen besteht, habe ich eben hinter mir gelassen und bin den Hügel hinauf gestapft. Der Circle ist auf meiner Wanderkarte nicht verzeichnet, Google maps kennt ihn jedoch und ich habe seine Lage vorher auf die Karte übertragen. So dauert es nicht sehr lange, bis ich inmitten des Steinkreises stehe.
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Nine Stone Circle |
In Wirklichkeit sind es deutlich mehr als neun Steine , ich zähle 16, der Zweitname "Seventeen Brothers" ist wieder anderer Meinung. Außerdem handelt es sich in Wahrheit nicht um einen echten Steinkreis wie etwa das berühmte Stonehenge in Wiltshire, rund 120 km nordöstlich von hier. Der Nine Stone Circle ist der Überrest eines runden Grabhügels aus aufgeschichteten Steinblöcken, der höchstwahrscheinlich vor mehr als viertausend Jahren errichtet wurde! Die Pyramiden sind nicht viel älter.
Hufgeräusche reißen mich aus meinen Gedanken. Über den Nachbarhügel galoppiert eine Herde winziger Pferde. Es sind halbwilde Dartmoor-Ponys, die mit ein wenig Glück heute noch überall im
Moor zu sehen sind. Ursprünglich in dieser Region gezüchtet, wurden sie früher etwa als Lasttiere eingesetzt, um das Erz aus den Dartmoor - Minen abzutransportieren. Heute findet ihre Weiterzucht auf der ganzen Welt statt. Eine Stunde später sehe ich sie dann ganz aus der Nähe, als ich auf schmalem Pfad über einen strauchbewachsenen Hügel wieder zum Bahnhof in Okehampton absteige. Eine Herde von etwa 10 Tieren grast die Büsche wenige Meter neben mir ab. Klein und pummelig sind sie und echt süß. Scheu sind sie auch nicht, ein mutiges Pony nähert sich neugierig bis auf kurze Distanz.
Am nächsten Morgen steige ich in Ivybridge am südlichen Park-Rand aus dem Zug und gehe einen Hohlweg empor. Hinter einem Gatter beginnt der Nationalpark. Ein Schild daran erinnert den Besucher daran, keinesfalls die Wege zu verlassen, um nicht einer drohenden Erosion Vorschub zu leisten.
Das hier ist das "Harford Moor" . Über morastige Wiesen führt der Weg den Hügel aufwärts, unterhalb ist das Grünbraun der winterlichen Landschaft mit hunderten weißen Punkten gesprenkelt, die sich bei eingehender Betrachtung als Schafe herausstellen. Wie zumeist im Dartmoor bewegt man sich über Privatgrund, in vielen Fällen über Farmland. Nur 1,4 % des Nationalparks unterstehen der Parkverwaltung und einige Areale dem National Trust, für die meisten übrigen Flächen bestehen uralte Nutzungsrechte der ansässigen Farmer. Konsequenter Naturschutz lässt sich so nur schwer umsetzen. Das ist einer der Gründe, warum alle fünfzehn britischen Nationalparks nicht von der internationalen Naturschutzorganisation IUCN anerkannt werden, da sie die wichtigsten Voraussetzungen nicht erfüllen.
Der "Western Beacon" ist erreicht, die südlichste Erhebung des Nationalparks. Heute regnet es kaum, aber Böen in Sturmstärke testen wiederholt meine Bodenhaftung.
Hier trotzt ein Menhir zwischen Stechginster und Heidekraut dem ständigem Wind, auch er ist mindestens als bronzezeitlich einzustufen. Er steht nicht allein, entlang dem gegen Norden ansteigenden Hügelkamm entdecke ich eine ununterbrochene Reihe von Steinsetzungen, die erste ist allerdings die ausgeprägteste. In einer Senke wird das Dartmoor seinem Namen ein wenig mehr gerecht, um einen schwarzen, morastigen Teich liegt ein Ring aus Sumpfwiesen. Heute sind außer mir tatsächlich noch einige andere Menschen unterwegs, ein junger Mann mit Regenzeug und schnellem Schritt, einige Spaziergänger mit Hunden. Von diesem Hügelkamm ist die Aussicht grandios. Weit geschwungene,
kahle, gelbbraune Erhebungen gegen das innere Dartmoor, im Süden die Häuser von Ivybridge und am Horizont dahinter das silberne Glitzern des Ärmelkanals bei Plymouth.
Als links im Tal die Häuser der Harford Farm neben dem markanten Vierecksturm einer typischen alten anglikanischen Kirche in Sicht kommen, benütze ich den nächsten Weg zum Abstieg. In der Nähe der Gebäude steht ein Mann in hohen Stiefeln und Arbeitskleidung, anscheinend ein Farmer. Er grüßt mich beim Vorbeigehen und sagt dann einige Sätze mit starkem Akzent. Ich nicke freundlich, um nicht zugeben zu müssen, kein einziges Wort verstanden zu haben.
Bewertung:
Größe: 8
Bedeutung und Naturschutz: 4
Highlights: 6
Wildnis-Feeling: 2
Service: 6
Öffis: 6
Meine Bewertung: 5 , 3
Das Gebiet mit Flora und Fauna: Das Dartmoor erstreckt sich im Süden der Grafschaft Devon im Dreieck der Städte Exeter, Plymouth und Okehampton. Es ist Granitland, das Grundgestein durchbricht an den Kuppen vieler Hügel die Oberfläche. Einige Flüsse entspringen hier, etwa der namensgebende Dart oder der Fluß Exe, der als bereits stattliches Gewässer durch die Stadt Exeter fließt und bei Exmouth in den Kanal mündet.
Im Areal liegen dutzende Ansiedlungen. Two Bridges im Zentrum ist in der Sommersaison ein wichtiges Besucherzentrum, in der Nähe liegt Princetown, das seit 200 Jahren für sein "Dartmoor Prison" bekannt ist . Seit Sommer 2024 wird das Gefängnis allerdings aufgrund der festgestellten hohen Radonkonzentration nicht mehr genutzt. In Princetown schließt sich auch der Kreis zu Arthur Conan Doyle, der hier während eines Aufenthalts im Jahr 1901 den Roman "The hound of the Baskervilles" schrieb.
Die Strategie des Naturschutzes ist eine andere als in den meisten Nationalparks. Nicht die Erhaltung oder die Rückkehr der unberührten Wildnis ist das Ziel, sondern der Erhalt der Kulturlandschaft, als welche das Dartmoor seit Jahrtausenden gesehen werden muss. Die vielen Schafe halten beispielsweise das Gras von Ginster und Gebüsch frei, das die Wiesen ansonsten bald überwuchern würde. Entsprechend wird der Wanderer wohl am ehesten auf Schafe und Dartmoor-Ponys treffen und seltener auf Damwild oder gar auf einen Fischotter.
Service und öffentliche Erreichbarkeit: Ich habe letztlich in der Stadt Exeter Quartier bezogen, da nur im Sommer brauchbare Verbindungen ins Herz des Dartmoor Nationalparks angeboten werden. Von Exeter lassen sich aber ganzjährig mit den Zügen der Great Western Railway problemlos Tagestouren vom Nord- und Südrand (Okehampton, Plymouth und Ivybridge) in den Nationalpark unternehmen. Weitwanderwege machen komplette Nord-Süd sowie Ost-West Durchquerungen möglich, wobei auf Grund der Distanzen in den Dörfern des Parks übernachtet werden muss. Die Markierungen der Routen kamen mir teilweise sehr dürftig vor. Eine Besonderheit des Dartmoor sind die sogenannten clapper-bridges , flache Granitplatten , die dem Wanderer als Brücken über schmale Flüsse helfen.
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