20. NATIONALPARK DOMOGLED - VALEA CERNEI , RUMÄNIEN

 















Parcul Nacional Domogled - Valea Cernei

Region Banat , Kreis Caras - Severin, Rumänien

Größe:   612  km2

Gegründet:   1990

Besucht:   November 2023


Spätherbst in den Südkarpaten
















Charakteristik:  Das hübsche Cernatal ( Valea Cernei) liegt im südwestlichen Ausläufer des Karpatenbogens entlang einer tektonischen Bruchlinie. Dies bescherte dem Tal eine Reihe von meist schwefelhaltigen Thermalquellen, die bereits vor fast 2000 Jahren in der römischen Epoche genutzt wurden.  Ab dem 19. Jahrhundert unter der Herrschaft des Habsburgerreiches erbauten Wiener Architekten im Kurstädtchen Baie Herculane (Herkulesbad) zahleiche Villen und Kurgebäude im Stil des Wiener Spätbarocks. Heute ist von dieser K.u.K. Herrlichkeit noch der morbide Charme verfallender Prachtgebäude geblieben, ergänzt mit dem einem oder anderen Beton-Schmuckstück aus kommunistischer Zeit.  Den Rahmen dazu bilden dicht bewaldete, felsdurchsetzte Hänge, das Domogled Mittelgebirge und die Flußlandschaft der Cerna.
















Mein Nationalpark:  Wo begibt man sich hin, wenn es im November noch ein Nationalpark sein soll, die Jahreszeit für Hochgebirge bereits zu weit fortgeschritten ist und ich in ein Land will, in dem ich noch nie war? Geworden ist es Rumänien, und mit dem "zahmen" Domogled - Valea Cernei - Nationalpark ein öffentlich gut erreichbares Ziel. 
Baie Herculane (Herkulesbad) gilt als das Tor zum Nationalpark. Das Kurstädtchen atmet im historischen Kern auf Schritt und Tritt Habsburger-Nostalgie aus. Ferdinand-Hof, Franz Josef Hof, Elisabeth-Villa. Zerbröselnde Bausubstanz mit Charme: Ein Paradies für Monarchie-Fetischisten.
Die zahlreichen Thermalquellen machen sich durch penetranten Schwefelgestank bemerkbar. Am Beginn des Nationalparks erhebt sich ein monströses Betonhochhaus aus den 80 ern in diesem engen Waldtal - das Hotel "Roman". Ich hatte kurz überlegt, mich hier einzuquartieren, bis ich die Bewertungen auf booking.com genauer gelesen habe. Wohl doch eher was für Ostblock-Fetischisten...
Grota cu aburi
Nur 50 Höhenmeter hinter dem Hotel führt der Weg an der "Haiducilor"-Höhle vorbei. Diese ist rasch besichtigt, im Licht der Taschenlampe lassen sich Inschriften und Schmierereien aus zwei Jahrhunderten erkennen. Mein eigentliches Ziel ist die "Dampfgrotte" (Grota cu aburi). Dorthin führt ein sehr gut bezeichneter Wanderweg durch den Wald empor.  Vor mir ertönen piepsende Geräusche aus dem Unterholz. Ein hagerer Rumäne meines Alters mit einem langen Gerät in der Hand kämpft sich auf den Weg zurück, um mit mir zu plaudern. In gutem Englisch erzählt er von seinen Arbeitsjahren in Kings Cross, London.  Nun ist er arbeitslos und versucht mit Münzsuche ein wenig Geld zu verdienen. Das lange Gerät ist ein Metall-Detektor! 
Ob ich ihn für meinen Blog fotografieren dürfe? Nach einigem Nachdenken schüttelt er den Kopf. Er hat keine Genehmigung für die Münzsuche. Aber gerne dürfe ich über ihn schreiben, solange ich seinen Namen nicht erwähne. Beinahe freundschaftlich verabschieden wir uns.
Der Weg zur Dampfgrotte dauert über eine Stunde, weil der direkte Anstieg abgesperrt ist und der offizielle Wanderweg mit einem großen Umweg über unzählige Kehren durch den herbstlich verfärbten Wald führt. Bevor man die Gruta cu aburi sieht, riecht man sie bereits. Eigentlich handelt es sich nur um eine 15 m lange Spalte, aber durch enge Klüfte hat sie Verbindung zu Schwefelquellen und vereinzelte Schwaden wabern aus dem Eingang. In der Höhle dringen gurgelnde Laute aus Spalten herauf. Es ist es sehr warm durch die schwefeligen Dämpfe und das Atmen wird nach einigen Minuten unangenehm. 
Das Cerna-Tal
Als nächsten Programmpunkt wandere ich am Ufer der Cerna entlang tiefer in den Nationalpark hinein. Zuerst kommt man am Informationszentrum des Parks vorbei, die dürftige Ausstellung über Fauna und Flora muss man aber nicht unbedingt gesehen haben. Das Flusstal kommt ähnlich wie der gesamte Nationalpark rüber: Nichts Außergewöhnliches, aber sehr hübsch. Zumeist bin ich hier gezwungen, zum Wandern die Straße zu benützen. Hinter einer Kurve lungert dann überraschend eine verwilderte Hundegang am Straßenrand herum. Sobald sie mich kommen sehen, springen die Tiere auf und beginnen wütend zu bellen. Noch vor wenigen Tagen hatte ich beim alljährlichen "Törgellen" im Freundeskreis von erfahrenen Rumänien-Reisenden den Ratschlag erhalten, nur ja auf die frei laufenden Hunde hier zu achten, sie seien gefährlicher als die Bären, vor allem die Hirtenhunde! Dazu gehört diese Gang aber eindeutig nicht und entschlossen gehe ich weiter. Knurrend weichen die Köter zur Seite und verbellen mich aus sicherer Entfernung. 
Billiges Thermalvergnügen am Flussufer















Ein weiteres Stück die Straße entlang parkt eine Menge Autos. Hier wird eine der Thermalquellen in kleine Bassins geleitet. Für nur 10 Lei (2 Euro) darf man sich im warmen Thermalwasser suhlen und anschließend zur Abkühlung in die benachbarte Cerna hüpfen. Ich habe keine Badeausrüstung dabei. Schade, hier hätte ich möglicherweise den Altersschnitt noch senken können... Noch weiter oben im Tal ist die Cerna zu einem länglichen See aufgestaut. Ein unmarkierter, aber offensichtlich häufig begangener Weg leitet mich von der Straße weg in ein spektakuläres, felsiges Seitental. Völlig einsam ist es hier.
Tiefblick nach Baie Herculane
Nächster Tag, tolles Wanderwetter. Ich steige von Baie Herculane zur sogenannten Crucea Alba hinauf, einem populären Aussichtspunkt. Zunächst geht es gemächlich in Serpentinen durch den Wald, später wird es ein wenig felsiger und damit spannender.  Beim Kreuz steht man schließlich hoch über dem Tal und hat einen tollen Blick über das Areal des Nationalparks. Ein ausgesetztes Wegstück führt mit Seilgeländer versehen dicht am Fels entlang - fast ein Hauch von Klettersteig. 
Die Markierung würde von hier noch weiter bis zum Gipfel des Domogled leiten. Eine Weile folge ich noch dem Weg, dann kehre ich um.





Bewertung:   
Größe:   7    Bedeutung:   5    Highlights:   3    
Wildnisfaktor:   6    Service:   7    Öffis:   8

Meine Bewertung:   6,0

Einige Seitentäler, wie her das Chaile Feregari, sind durch Wanderwege erschlossen















Das Gebiet:  Dieser Nationalpark ist der einzige in Rumänien, wo nicht ein komplettes Gebirge, sondern hauptsächlich ein Flusstal als sogenanntes "hydrografisches Becken" mit all seinen botanischen und geologischen Besonderheiten geschützt wird.  Fast 50 km weit zieht es als von Baie Herculane nach Nordosten und trennt das Cerna- vom Domogled-Gebirge. Nordöstlich schließt dann bereits mitten in den südlichen Karpaten gelegen das "Rezetat" an, ein echtes Hochgebirge als weiterer Nationalpark.  Das Valea Cernei wurde auch zur Gänze in das "Natura 2000" Gebietsnetz der Europäischen Union aufgenommen.  Obwohl man weit von den großen rumänischen Städten entfernt ist, blüht hier seit langem der Kurtourismus. Bereits im römischen Reich wurden die heißen Quellen genutzt und dem Halbgott Herakles (Herkules) geweiht. Touristische Hochblüten erreichte das Gebiet dann im  Habsburgerreich und später in der kommunistischen Ära. Auch Nicolae Ceausescu weilte hier angeblich oft zum Kuraufenthalt und folgte damit der Tradition von Kaiser Ferdinand, Franz Josef I. und Kaiserin Elisabeth.

 


Heiße Schwefelquelle am Flussufer
Geologie, Flora und Fauna:  Schwefelhaltige Thermalquellen entspringen an den Hängen und teilweise dicht am Flussufer und machen sich olfaktorisch deutlich bemerkbar. Die bewaldeten Hänge des Cerna-Tales sind häufig durch senkrechte Kalkfelsen unterbrochen. Im Haupttal ist Laubwald vorherrschend, an den felsigen Anhöhen und Bergkämmen sieht man verkrüppelte Bergkiefern an den unmöglichsten Stellen wachsen. Unter Botanikern ist das Gebiet angeblich berühmt und kommt mit seltenen Blütenpflanzen in vielen botanischen Abhandlungen über Südosteuropa vor. Aurikel, Schwarzes Kohlröschen und Gras-Schwertlilie etwa werden als Besonderheiten erwähnt.  Die Liste der Säugetierfauna liest sich klassisch osteuropäisch: Neben Wildkatzen, Luchsen, Wölfen und Rotwild besitzt Rumänien nach Russland die größte europäische Braunbären-Population und hat damit aktuell ein Problem. An die 8000 Exemplare sollen in den rumänischen Karpaten leben. Zur Zeit werden ähnlich wie in Bulgarien und der Slowakei wieder Abschuss- Quoten für Bären heiß diskutiert. Immer öfter dringen die Raubtiere in menschliche Siedlungen ein, vor allem nachts, reißen Schafe und durchwühlen Mülltonnen. Auch in Baie Herculane hörte ich von einem ähnlichen Vorfall im Umfeld des Ortes.  

Bahnhof von Herculane
Service und öffentliche Anbindung:  Bedingt durch den Kurbetrieb gibt es eine große Auswahl an Hotels und Pensionen. Den höchsten Standard darf man sich zwar nicht erwarten, aber dafür ist das Preisniveau im allgemeinen niedrig.  Die Wegemarkierungen und Beschilderungen sind deutlich und auch oft mit Angaben zu Gehzeiten versehen. Eine Wanderkarte zum Gebiet konnte ich jedoch leider vor Ort nirgends ergattern.  Insgesamt ist die Infrastruktur für Naturliebhaber aber gut ausgebaut. Der Bahnhof von Baile Herculane aus dem 19. Jahrhundert ist mit seiner kirchenähnlichen Kuppel architektonisch eine Attraktion für sich. Es halten alle Schnellzüge zwischen Timisoara und Bukarest und auch von Budapest gelangt man ohne Umsteigen hierher. Das historische Zentrum mit dem Beginn der wichtigsten Wanderwege ist vom Bahnhof 5 km entfernt. Eine praktische Stadtbuslinie fährt diese Strecke stündlich ab, weiter entfernte Ziele im Nationalpark erreicht man zu Fuß oder mit den preisgünstigen Taxis.  















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