21. NATIONALPARK BAYRISCHER WALD , DEUTSCHLAND

 










Nationalpark Bayrischer Wald, Bayern, Deutschland

Größe:   249 km2

Gegründet:   1970

Besucht:   Dezember 2023
























Größe:  6     Bedeutung:  6     Wildnisfaktor:  5

Highlights:  4     Service:   8     Öffis:  9

Meine Bewertung:        6,3

Charakteristik:   Der älteste Nationalpark Deutschlands umfasst eine wunderschöne, dicht bewaldete Hügellandschaft in den westlichen Ausläufern des Böhmerwaldes.  Viele Areale wurden seit Jahrzehnten nicht mehr bewirtschaftet und einige Teilstücke sind noch als echte Urwälder zu bezeichnen. Ein dichtes Netz von Wanderwegen führt zu reizvollen Aussichtspunkten,  Felstürmen und Hochmooren. Der Nationalpark Bayrischer Wald war ein Vorreiter bei der Wiederansiedlung des Luchses in Mitteleuropa . Heute hat sich wieder eine stabile Population der seltenen Raubkatze etabliert . Die touristische Infrastruktur und die hervorragende öffentliche Erreichbarkeit machen einen Besuch zu jeder Jahreszeit zum Erlebnis. 


Ausblick vom "Hochfels"















Mein Nationalpark  :  Mit Schneeschuhen durch den winterlichen Wald:  Obwohl ausgerechnet heute die Waldbahn wegen umgestürzter Bäume nicht fahren konnte und ich mich mittels vier verschiedener Buslinien von Plattling bis Bayrisch Eisenstein durchschlagen musste, schnalle ich bereits um 13 h die Schneeschuhe an und tauche in den dicht verschneiten Wald ein. Entlang einer Markierung dicht an der tschechischen Grenze geht es bergauf. Völlige Stille herrscht zwischen 
Hier waren Wildschweine am Werk
den dicht stehenden Fichten. Dennoch sind Spuren von Waldbewohnern zu sehen: Einige wild aufgewühlte Gruben zeugen von den Bemühungen futtersuchender Wildschweine. Für die heutige "Eingehtour" folge ich keinem Plan und ziehe einfach meine Spuren durch den Schnee. Gegen 16 Uhr wird es ohnehin dunkel , in der Dämmerung sehe ich noch ein Reh zwischen den Bäumen verschwinden. Am nächsten Tag starte ich früh. Ich möchte den sogenannten "Urwaldsteig" bis zum "Schwellhäusl" gehen und dann über den Aussichtspunkt "Hochfels" wieder nach Bayrisch- Eisenstein zurückkehren. Vom Bahnhof führt anfangs noch ein gespurter Weg in den Wald. Hier begegnen mir tatsächlich zwei andere Schneeschuhwanderer, so wie ich ganz in die Bewegung vertieft. Dann zeigt ein Schild den Beginn
Am Urwaldsteig
des Urwaldsteigs an. Ab hier ist nicht mehr richtig gespurt, aber einige Fußspuren sind dennoch vorhanden. Diese erweisen sich als sehr hilfreich, denn der Urwaldsteig macht seinem Namen teilweise alle Ehre. Viele umgestürzte Baumstämme müssen überstiegen oder umgangen werden, sind aber unter dem tiefen Schnee kaum zu erkennen. Auf knapp 1000 m Seehöhe überschreite ich den "Hochberg" , den höchsten Punkt der Tour. Aussicht gibt es leider nicht, ringsherum streben bis zu 30 m hohe Fichten in die Höhe. 
Ungemein reizvoll präsentiert sich die Winterlandschaft hier oben. 
Einige herumliegende Fichtenstämme haben über einen Meter Durchmesser, wenn sie über den Steig ragen, wurden sie mit der Säge zerteilt. Nach dem etwas heiklen Abstieg vom Hochberg durch den Tiefschnee geht es abwechselnd bergab und bergauf. Unter einem mächtigen überhängenden Gneis-Block findet sich ein guter Rastplatz. Während ich heißen Tee aus der Thermoskanne schlürfe,
Riesige Baumleichen
lasse ich diesen Zauberwald auf mich wirken. Ich finde es ein großartiges Unterfangen, eine derartige Naturlandschaft hier in Mitteleuropa zu bewahren und vor Abholzung und Verbauung zu schützen. So muss ein Nationalpark funktionieren. In dieser vollkommenen Stille kann man sich gut vorstellen, dass sich auch das wahrscheinlich scheueste Raubtier Europas hier wohl fühlt: Der Luchs. Fünf oder sechs Exemplare sollen dauerhaft in diesem Nationalpark zuhause sein. Eine Sichtung in freier Wildbahn käme einem Lottosechser gleich. Es gibt aber beim "Haus der Wildnis" beim Ort Ludwigsthal ein riesiges Freigehege, wo ich später tatsächlich noch einen Luchs erspähen werde. 
An einer Wegkreuzung bin ich mir nicht sicher, ob das die richtige Stelle ist, um weiter zum Ausflugsgasthof  "Schwellhäusl" zu gelangen. "Schwellen" bezieht sich auf das Triften von Holzstämmen auf einem Schwemmkanal, das in diesem Gebiet bis ins 19. Jahrhundert praktiziert wurde. Ab hier gibt es keine Spuren mehr, nur meterhohen Schnee. Ich versuche es einfach mal, im schlimmsten Fall folge ich meinen eigenen Schneeschuhspuren wieder zurück.  Nach einer Weile finde ich keinerlei Markierungen an den Stämmen mehr, also kehre ich wieder zur Wegkreuzung zurück und steige den Schildern in Richtung "Hochfels" nach. Dabei handelt es sich um einen herrlicher Aussichtspunkt auf einem Granitblock mit weitem Blick über die verschneiten Wälder bis zum Großen Arber. Und anschließend geht sich mit der Waldbahn auch noch ein Besuch im Freigehege beim Haus der Wildnis aus.

Dieses Exemplar war im riesigen Freigehege zu beobachten















Endlich wieder zuhause? Die Rückkehr des Luchses in Mitteleuropa

Der eurasische Luchs (Lynx lynx) ist die größte Katze Europas, daneben gibt es nur noch die deutlich kleinere Wildkatze. "Meister Pinselohr", wie er in der Fabel manchmal genannt wird, lebte bis ins 19. Jahrhundert noch nahezu flächendeckend zwischen den Pyrenäen und Ostsibirien. Dann kam es in Mitteleuropa wie bei Wolf und Bär unaufhaltsam zur Ausrottung. Hier im Bayrischen Wald wurde das letzte Tier im Jahr 1846 erlegt, in Österreich (Tirol) geschah dies 1894. In Ost- und Südeuropa (Karpaten, Ostpolen, Balkanhalbinsel) kam es hingegen nie zum vollständigen Erlöschen der Populationen. 
Der eurasische Luchs wird bis zu 120 cm lang, 75 cm hoch und bis zu 35 kg schwer. Seine "specials" kennt jeder: Fransige Haarbüschel an den Ohren, gesprenkeltes Fell und große haarige Pfoten. 
Er ist ein typischer Beutegreifer mit Kleinwild als Hauptnahrung. Im Unterschied zu Bär und Wolf wurde der Luchs zwar als Jagd-Konkurrent, jedoch nie als direkte Gefahr für Menschen betrachtet. 
Luchsmonitoring mit Fotofalle (Bild: Internet)

Wahrscheinlich wurde eben deshalb diese Raubtierart mit dem Erwachen des ökologischen Gedankens in den 1970 er Jahren dazu ausgewählt, mit der  Wiederansammlung im mitteleuropäischen Lebensraum zu beginnen. Dies gelang auch, allerdings gibt es dabei ein Problem. Diese Art benötigt viel Platz - die Reviergröße eines männlichen Tieres schwankt zwischen 50 und 200 km2. Entsprechend große naturnahe Schutzgebiete gibt es in Österreich und Deutschland nur mehr wenige. Außerdem ist der Luchs kein Kulturfolger und scheut - anders als Wolf und Bär - den Menschen wie der Teufel das Weihwasser. In Österreich befindet sich der Luchs - Hotspot im Nationalpark Kalkalpen, in Deutschland im Harz und eben hier im Bayrischen Wald mit dem angrenzenden Sumava Nationalpark in Tschechien. Mittels Chippen und Fotofallen wird ein aufwendiges Monitoring betrieben. Sollte die elektronische Überwachung einmal versagen, kann das betreffende Exemplar anhand seiner
Infotafel über Luchs-Sichtungen im Nationalpark
einzigartigen Fellzeichnung mittels Fotofallen-Aufnahme eindeutig identifiziert werden.  5 - 6 Luchse haben derzeit im Gebiet des Nationalparks ihren ständigen Lebensraum:  Mehr können es auf Grund der erforderlichen Reviergrößen eben auch kaum werden, was ein wenig zur Sorge Anlass gibt: Die genetische Vielfalt erscheint auf längere Sicht durch Inzucht gefährdet zu sein.  Und das Luchs-Projekt hat nicht nur Freunde - es gibt hier auch ein "Bermuda-Dreieck für Luchse", wo in den letzten Jahren einige Tiere verschwanden: Im Lamer Wald unweit des Nationalparks wurden von Unbekannten im Jahr 2015 vier abgetrennte Vorderbeine vor dem Haus engagierter Luchs-Befürworter abgelegt, offenbar als eindeutiges Statement. (Süddeutsche Zeitung, Mai 2015).

Die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien verläuft mitten durch das Bahnhofsgebäude von Bayrisch Eisenstein


Das Gebiet:  Das 250 km2 große Areal des Nationalparks zieht sich im Osten Niederbayerns als schmaler Streifen über 30 km weit von Bayrisch Eisenstein im Nordwesten bis Mauth im Südosten an der deutsch-tschechischen Grenze entlang. Der tschechische Nationalpark Sumava grenzt direkt an und vergrößert damit den geschützten Naturraum um weitere 680 km2. 
Der Rachelsee im Herzen des Nationalparks
Dadurch ergibt sich das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas. Drei Gipfel erreichen über 1300 m Höhe: Falkenstein (1315 m), Lusen (1373 m) und Großer Rachel (1453 m). Am Fuß des letzteren liegt der einzige natürliche Bergsee des Gebiets: Der waldgesäumte Rachelsee. Die riesigen Waldreserven führten in den vergangenen Jahrhunderten zu vereinzelter Holzgewinnung, wovon heute noch Reste von Triftanlagen zeugen, etwa beim "Schwellhäusl" bei Zwiesel.  Im Umfeld von Bayrisch Eisenstein wurde, wie im Namen ablesbar, auch Eisenerz gewonnen und einige Glashütten betrieben. 
Auf Grund seiner relativen Wildheit wird das Gebiet manchmal auch als "Bayrisch - Kanada" bezeichnet.

Geologie, Fauna und Flora:  Geologisch zählt der Bayrische Wald zur Böhmischen Masse, die über den Böhmerwald bis zum niederösterreichischen Waldviertel reicht. Gneise und Granite bilden zahlreiche Felsbildungen und alleinstehende Findlingsblöcke. Bergmischwald aus Tannen, Buchen und Fichten bedeckt den größten Teil des Nationalparks. Im südöstlichen Teil beim Berg Lusen verwüstete 1983 ein Sturm über 30.000 Festmeter Fichtenholz, worauf beschlossen wurde , 
Ausgedehnte Wälder an der deutsch-tschechischen Grenze
in den Naturzonen nicht mehr einzugreifen und den Wald sich selbst zu überlassen. Auch in den 90ern blieb man bei dieser Strategie, als massiver Borkenkäferbefall auftrat. Als daraufhin Teile der Wälder in höheren Lagen abstarben, kam es zu Kontroversen über die Vorgehensweise, die anscheinend bis heute andauern. So wird der Borkenkäfer in den Randlagen derzeit wieder bekämpft, um das Übergreifen auf die angrenzenden Privatwälder zu verhindern. Einige Urwaldreste sind auch noch zu finden, so der "Hans Watzlik-Hain" unweit von Bayrisch Eisenstein oder das "Höllbachgspreng". Trotz der Luchse und zweier Wolfsrudel, von denen man hier und im angrenzenden Dubrava weiß,  mangelt es im Gebiet des Parks insgesamt an großen Raubtieren, die den Rotwildbestand effektiv begrenzen. So werden Rehe und Rothirsche teilweise gezielt bejagt. Dennoch sind deutliche Verbissschäden nicht zu übersehen.

Die Bayrische Waldbahn bietet bequeme Anreise zu den wichtigsten Startpunkten















Service und öffentliche Anbindung:   Bei diesen beiden Punkten nimmt der Nationalpark Bayrischer Wald eine Vorbildfunktion wahr. Eine informative Website, viele Wander- und Schneeschuhmöglichkeiten und gute Wegemarkierungen erleichtern die Planung. Zwei Besucherzentren (Haus der Wildnis in Ludwigsthal und das Nationalparkzentrum Lusen) bieten Ausstellungen und große Freigehege, unter anderem mit Luchsen. Bei Neuschönau kann in der warmen Jahreszeit außerdem ein imposanter
Baumwipfelpfad begangen werden. Auch Öffi - FahrerInnen haben es gut: Der private Anbieter "Bayrische Waldbahn" fährt stündlich von Plattling (an der Bahnstrecke Passau - Regensburg) in den Grenzort Bayrisch Eisenstein und von Zwiesel südwestlich entlang des Nationalparks nach Grafenau und Freyung. Der Kauf eines "Bayrischer Wald Tickets" berechtigt einen Tag lang auch für die Benützung aller Buslinien wie dem "Igelbus", der hauptsächlich im Sommer einige Ziele mitten im Nationalpark anfährt. 
Insgesamt hat sich wie bei meinen bisherigen Reisen neuerlich herausgestellt, dass vor allem in Ländern wie Deutschland und Österreich die Idealvorstellung eines Nationalparks - konsequenter Naturschutz in Verbindung mit attraktiven Besucherangeboten sowie die Anreisemöglichkeit ohne PKW - anscheinend am nachhaltigsten gelebt wird. 













 

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