24. NATIONALPARK SÄCHSISCHE SCHWEIZ, DEUTSCHLAND

 








Nationalpark Sächsische Schweiz , Sachsen,  Deutschland

Größe:  93,5 km2   Gegründet:  1990   Besucht:  März 2024
Auf den "Affensteinen" , Hintere Sächsische Schweiz












Charakteristik:   Hunderte bizarre Sandsteinfelsen und lotrechte Tafelberge ragen über bewaldete Hügel empor.  Die exzellente Erreichbarkeit des Mittelgebirges nahe der Großstadt Dresden trägt auch dazu bei, dass dieses großartige Wander- und Kletterrevier stets sehr gut besucht ist. 


























Weite Aussichten vom Affenstein-Plateau















Mein Nationalpark - Über die "Häntzschelstiege":   Die drei gelben Straßenbahnwagen der "Kirnitschtalbahn" rattern Kurve um Kurve in selbiges Tal hinein. Alle Plätze sind belegt, die Wanderer und Ausflügler stehen dicht an dicht im Mittelgang. Es ist Karsamstag und herrliches Wanderwetter. Auch als Judith und ich von der Haltestelle Beuthenfall über den "Königsweg" in Richtung "Häntzschelstiege" ansteigen, befinden wir uns noch großteils im Pulk. An der glatten 
Am Wandfuss des Bloßstocks
und senkrechten Wand des "Bloßstocks" leitet ein Schild am Wandfuß entlang nach rechts. Die Häntzschelstiege ist der einzige richtige Klettersteig der Sächsischen Schweiz, mit dem Buchstaben C bewertet gilt er als mittelschwer. Im Nachhinein und im Vergleich mit heimatlichen Steigen erschien er mir dann doch als etwas zu hoch bewertet.  Über einer langen Stufenreihe ist der Einstieg nicht zu übersehen - An die 30 Personen warten brav in voller Klettersteigausrüstung darauf, endlich einsteigen zu können. 
30 Minuten später sind wir an der Reihe. Der Klettersteig führt über Rampen, Platten und enge Klüfte über 100 kurzweilige Höhenmeter auf das kleine Affenstein-Plateau hinauf.  Klammern, Tritthilfen und ein durchgängiges Drahtseil zur Selbstsicherung bieten Sicherheit. Alle sind diszipliniert und verwenden Klettersteigsets, obwohl der Steig als eher leicht einzustufen ist. Im obersten Teil durchsteigen wir 
Im engen Einstiegskamin des oberen Teils






































Die luftige, aber gut gesicherte Ausstiegsquerung


















eine schmale senkrechte Kluft an einer Klammernreihe, um dann recht luftig zum Ausstieg zu gelangen.  Oben verschlägt es jedem die Sprache, der sich zum ersten Mal hier befindet. Ringsherum ragen bizarre Sandsteintürme und Spitzen über die Baumkronen, und weiter im Westen schimmern richtige Tafelberge im vormittäglichen Dunst.  Eine aufregende und besondere Landschaft, das Elb-Sandsteingebirge.  Bereits in der Epoche der Romantik im 19. Jahrhundert
"Wanderer über dem Nebelmeer" von Caspar David Friedrich









inspirierte dieser außergewöhnliche Landstrich eine Reihe von Landschaftsmalern. Die bekanntesten waren Ludwig Richter und Caspar David Friedrich, dessen berühmtes Werk "Wanderer über dem Nebelmeer" die Landschaft der Sächsischen Schweiz zur Grundlage hatte. 











Nach einer Weile des Schauens und Staunens machen wir uns auf den Weg, um unsere Abstiegsvariante vom Affensteinplateau, die sogenannte "Wilde Hölle", aufzuspüren. Dieser Steig entpuppt sich trotz seines bedrohlichen Namens als wesentlich einfacher als die Häntzschelstiege, es handelt sich um einen der ältesten gesicherten Steige dieses Gebiets. Eine abfallende Schlucht zwischen steilen Felsnadeln wurde mit Tritthilfen, Stufen und Leitern gangbar gemacht.
In der "Wilden Hölle"
Auch hier stauen sich die Wanderer vor jeder Kletterstelle. Gemeinsam mit anderen unterstützen wir einen älteren Herrn, der den Weg offensichtlich unterschätzt hat, an der schwierigsten Stelle , später umrunden wir die "Affensteine" noch auf dem Königsweg bis zu unserem Ausgangspunkt zurück. Beim Beuthenfall fährt dann gerade zur rechten Zeit eine Bahn bis zur Gaststätte "Lichtenhainer Wasserfall" ab.  Der letzte freie Platz im Gastgarten beschert uns die sehnlich erwartete Kaffeepause. Auch hier ist alles voller Menschen. 
Das Sächsische Idiom an den Tischen ringsum klingt beinahe wie eine Fremdsprache.
 
Die Kirnitschtalbahn beim "Beuthenfall"















Der "Lichtenhainer Wasserfall" ist (bzw. war) großteils künstlichen Ursprungs. 1830 wurde ein unscheinbares natürliches Gerinne hinter der Gaststätte zur Steigerung des touristischen Werts durch ein oberhalb der Felsen erbautes Stauwehr und einem Seilzug, mit dem sich das Wehr von unten öffnen ließ, bei Bedarf in einen mächtigen Sturzbach verwandelt. Damals entstand das verpachtbare Amt eines "Wasserfallziehers". Gegen Bezahlung wurde von diesem der Seilzug betätigt und die Kaskade in Gang gesetzt.  Vor allem nach der Errichtung der Kirnitschtalbahn im Jahr 1898 kamen Hunderttausende, um das künstliche Naturwunder zu bestaunen. Diese absurde Attraktion funktionierte großartig bis zum Juli 2021 , als während eines Unwetters die Anlage schwer beschädigt wurde. Derzeit ist sie außer Betrieb, und der "Wasserfall" ist wieder ein unscheinbares Rinnsal. Mittlerweile wird eifrig Geld gesammelt, um die Anlage wiederherzustellen.  

Bewertung: 

Größe:   5     
Durchschnittliche Größe eines deutschen Nationalparks

Bedeutung und Naturschutz:    6
Das Gebiet ist von unzähligen Steigen und Wegen zerschnitten und wird touristisch intensiv genutzt. Man gewinnt den Eindruck, die Besuchermassen wälzen sich unkontrolliert durch das Schutzgebiet. Eindeutig handelt es sich um eine schützenswerte Landschaft, die Umsetzung von Naturschutz und Kontrolle funktioniert aber anderswo besser.

Highlights:   7
Bizarre Felsbildungen und stimmungsvolle Ausblicke 

Wildnisfaktor:   2
Einsamkeit ist hier in der Saison kaum zu finden. Auch die dichte touristische Infrastruktur lässt kein "Wildnis-feeling"  aufkommen.
Service:    7
Umfangreiche Literatur über die Wandermöglichkeiten,  beinahe schon zu viele ausgewiesene Wege. Für meinen Geschmack liegt der Fokus etwas zu sehr auf "Fun" und zu wenig auf Naturschutz.

Öffentliche Erreichbarkeit:    10
In diesem Punkt ist keine Steigerung mehr möglich.  Hervorragende Zug/Bus/Fährverbindungen machen alle Ausgangspunkte für Wanderungen sehr gut öffentlich erreichbar.

Meine Bewertung:    6,1
Von der Bastei überblickt man das Elbtal nördlich vom Kurort Rathen













Die Bastei
Der wohl berühmteste Aussichtspunkt der Sächsischen Schweiz ist die Bastei, 200 Höhenmeter über dem Tal der Elbe. Es handelt sich um eine Felsformation mit Aussichtsplattform zwischen der Stadt Wehlen und dem Kurort Rathen. Das Zentrum bildet die "Basteibrücke", eine spektakuläre Steinbogenbrücke. Das Zeitalter der Romantik kennzeichnete den Beginn des Naturtourismus. Damals wurde der "Malerweg"auf die Bastei angelegt, wo sich die bereits erwähnten Künstler ihre Inspirationen holten. Hier entstand auch Friedrichs Bild "Felsenpartie im Elbsandsteingebirge."  Das Original ist heute übrigens im Wiener Belvedere zu bewundern. 
Beeindruckende Felswelt an der Bastei












Bereits 1812 begann ein rühriger Fleischhauer mit der ersten gastronomischen Versorgung der Besucher. Es entstanden eine Küche und eine Aussichtsplattform. Eine erste Holzbrücke über die Abgründe der "Mardertelle" wurde 1850 durch die noch heute bestehende Sandsteinbrücke ersetzt. Sie ist 76,5 m lang. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es auch den Plan, eine Drahtseilbahn hier herauf zu bauen, gottlob scheiterte dieses Vorhaben am Widerstand der Bevölkerung. Es herrscht auch so sehr viel Betrieb. Einheimische und Besucher aus aller Welt schieben sich über die Brücke und ringen um die besten Plätze für Selfies. Unser Besuch fiel zu den Osterfeiertagen in eine Spitzenzeit, aber an der Bastei ist immer etwas los. Es ist der am häufigsten besuchte Platz innerhalb aller deutschen Nationalparks und zählt jährlich über 1,5 Millionen Besucher.
Die Basteibrücke

Als Abstiegsvariante kann der etwas versteckte, gesicherte Steig durch die "Schwedenlöcher"  wärmstens empfohlen werden. Durch Schluchten zwischen senkrechten Sandsteinwänden und höhlenartigen Durchschlüpfen wird  das stillere Amseltal erreicht, an dessen Ende noch der kleine "Amselfall" besucht werden kann. In Kriegszeiten,  vor allem während des Dreißigjährigen Krieges, nutzte die Bevölkerung dieses Schluchtensystem als Rückzugsort und Versteck.
Leierkastenmann auf der Bastei

In den "Schwedenlöchern"

Das Gebiet mit Geologie, Flora und Fauna:  Der heutige Nationalpark ist mit knapp 100 km2 in zwei ungleich große Teile zergliedert. Die vordere (westliche) Sächsische Schweiz umfasst die Bastei, das Amseltal und den Lilienstein um die Stadt Wehlen und Kurort Rathen und ist touristisches Epizentrum. Die Hintere (östliche) Sächsische Schweiz ist mehr den Wanderern und Kletterern vorbehalten. Das Kirnitschtal bei Bad Schandau bildet hier den Hauptzugang, weiter östlich liegt das schöne Polenztal. Die Hauptziele sind die aufregenden Felsformationen der "Affensteine" und der "Schrammsteine".  Charakteristisch für die Sächsische Schweiz sind isolierte, senkrecht aufragende Felssäulen und Tafelberge. Letztere befinden sich beinahe alle auf der linken Seite der Elbe außerhalb der Nationalparkgrenzen, nur der Lilienstein an der Flussschleife bei Königstein liegt rechtselbisch. 
Klüfte und Bankungen im Sandstein
Die Entstehung der Felsformationen ist eine Geschichte von Ablagerung, Verwitterung und Erosion. Vor 65 Millionen Jahren zog sich das Meer aus dem Lausitzer Becken zurück und hinterließ einen kompakten Block aus sandigen, zerklüfteten Sedimenten. Je nach Zusammensetzung der einzelnen Schichten und Segmente verwitterten die weicheren Bestandteile, während die härteren Erhebungen verblieben. Durch weitere Erosionsvorgänge bildete sich nach und nach das heutige Landschaftsbild mit Zinnen, Türmen, Höhlen und Schluchten. Das Gebiet des Nationalparks ist zu 90 % bewaldet. Die nicht endemische Fichte dominiert das Waldbild, sie ist ein Relikt von jahrzehntelangen Aufforstungen. Erst seit jüngerer Zeit wird daran gearbeitet, den natürlichen Buchenmischwald zu stärken.
An vielen Felsflächen ist die markante Schwefelflechte zu sehen







Den Unterwuchs bilden Heidekraut und Heidelbeergestrüpp, an den Felsen haben sich viele Moose und Flechten angesiedelt.  In den Tälern und Einschnitten sorgt die sogenannte "Klimaumkehr" - absinkende kalte Luft in den Tieflagen - dafür, dass in den Schluchten auch montane Arten wie etwa die Weißtanne gedeihen können.
Die Tierwelt ist nicht sehr aufregend: Rotwild, Hasen und Füchse als wichtigste Säugetiere,  verschiedene Krötenarten und die Kreuzotter kommen vor.


Wälder und Schluchten


Ganz ohne Probleme ist dieser Nationalpark allerdings nicht. Mehrere trockene Sommer führten zu verstärktem Borkenkäferbefall, große Totholzareale (vor allem aus Fichten) sind auch im Bereich Kirnitschtal und Affensteine nicht zu übersehen. Die unzähligen Wege und Pfade, auch zu den Kletterfelsen, und die touristische (Über)Nutzung des gesamten Gebietes führen dazu, dass die Rückzugsorte für das Wild kleinräumig und zerschnitten sind. Im Konzept international anerkannter Nationalparks ist das "75 % Wildnis Ziel" festgeschrieben, das hier aber erst 2033 (45 Jahre nach der Gründung) erreicht werden soll.

Bei den wichtigsten Zugangsorten, hier der Kurort Rathen, sorgen Personenfähren für die rasche Anbindung an die linkselbischen Bahnhöfe










Service und öffentliche Anbindung:  Beim Elbsandsteingebiet handelt es sich um keine entlegene Region, vielmehr liegen etliche Kleinstädte wie Pirna, Rathen und Bad Schandau mit vielen Übernachtungsmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe. 
Man kann aber auch wie wir problemlos in der nur 30 km entfernten sächsischen Metropole Dresden wohnen und erreicht den Nationalpark mit Bahn und Fähre in weniger als einer Stunde.
Zu den Orten im Hinterland starten Buslinien direkt bei den Bahnhöfen, und die romantische Kirnitschtalbahn führt von Bad Schandau ins Herz der Hinteren Sächsischen Schweiz. 
Bereits von der Fähre bieten sich schöne Blicke auf die bizarre Landschaft.
Im Nationalpark gibt es unzählige Wanderwege, viele davon sind mit Steighilfen wie Stufen, Halteseilen und Klammern versehen. Für den Sportkletterer ist das Gebiet ein Eldorado, hier gelten aber die speziellen "Sächsischen Kletterregeln" mit Einschränkungen bei den Sicherungstechniken.
Tafeln mit Erklärungen zu Flora, Fauna und Umweltschutz sind eher selten anzutreffen, im Nationalpark-Areal befinden sich wie üblich einige Infostellen.
















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