26. NATIONALPARK PIATRA CRAIULUI , SIEBENBÜRGEN , RUMÄNIEN

 

















Braunbären bei Zarnesti














NATIONALPARK  PIATRA  CRAIULUI 

Kreis Brasov in den Südkarpaten, Region Siebenbürgen, Rumänien

Größe:   148 km2   Gegründet:   1991  Besucht:   Mai 2024
















Charakteristik:  Kalkgebirge mit zahlreichen Schluchten und Felswänden, dicht bewaldeten Flanken und vielen markierten Wegen in den Südkarpaten unweit der Großstadt Brasov.
Ein Ambiente wie in den niederösterreichischen Kalkalpen, jedoch wesentlich  ursprünglicher.

Das Wandern hier weckt Assoziationen zu Schneealpe oder Rax












Mein Nationalpark (Mai 2024):    In der Beobachtungshütte ist die Spannung greifbar. Handys werden gezückt und Digitalkameras mit zahlreichem Equipment in Stellung gebracht. Das riesige Teleobjektiv des Amerikaners neben mir ist genau wie dessen Kleidung aus rätselhaften Gründen mit Army-Tarnfarben bedruckt. Durch die nur von innen durchsichtigen Panoramafenster beobachten wir vor dem Hintergrund eines dicht bewaldeten Steilhangs am Ende eines Schotterwegs einen der beiden Guides, der eben aus einem Sack Bären-Leckerlis auf einen querliegenden Baumstamm 50 m von der Hütte entfernt schüttet, anschließend beeilt er sich ebenfalls ins Innere. Dann warten alle, was weiter passiert. Aber nicht lange.
 
Bärin Nr. 1













Eine zitterndes Gebüsch am Waldrand kündigt die erste Besucherin an. Eine massige braune Bärin mit einem silbernen Streifen am breiten Rücken tritt vorsichtig auf die Lichtung hinaus und schnuppert. 
Natürlich riecht sie die Leckerlis, Braunbären sind Supernasen. Jegliches Murmeln im Versteck ist verstummt, dafür klicken nun die Kameras. Das Tier steigt überraschend flink den Abhang herab, schnuppert nochmals und steuert dann zielstrebig den duftenden Baumstamm an.
Die Beobachtungshütte
Ich nehme mir vor, später einen der Guides zu fragen, was denn da zum Anlocken verwendet wird. 
Die Antwort wird mir aber nicht so recht gefallen: Vegetarische, mit Zucker gesüßte Drops. Warum wird denn zum Süßen kein Honig verwendet, den Bären ja lieben und aus der Natur kennen? Der sei zu teuer. Nicht ganz nachvollziehbar, bei fast 20 Gästen zu je 60 Euro sollte sich die Differenz von raffiniertem Zucker zu Honig doch ausgehen... Überhaupt gestaltet sich meine erste gebuchte Bären-Beobachtungstour etwas anders als erwartet. Ich hatte mir einen zugigen, nach einer gewissen Fußstrecke erreichbaren Hochstand vorgestellt. Statt dessen halten die Fahrzeuge direkt neben dieser komfortablen Beobachtungshütte mit den großen Panoramafenstern. Ungeachtet dessen ist die Beobachtung der Wildtiere eindeutig ein großartiges Erlebnis. Auf der Naturbühne vor mir ist ein neuer Protagonist aufgetaucht. Ein kleiner, buschiger Rotfuchs huscht auf den Baumstamm zu. Als die Bärin kurz den Kopf zum Störenfried wendet, trippelt dieser betont angelegentlich vorbei, um gleich wieder sein Ziel im großen Radius zu umrunden.
Als die Bärin scheinbar genug hat und im Gebüsch verschwindet, ist sein Moment gekommen. 
Kurz darauf betritt ein weiterer Bär die Lichtung, ein schwarzes, beinahe hager wirkendes Männchen.
Bär Nr. 2







 

Dieses   verhält sich deutlich vorsichtiger als die Bärin vorhin. Es stellt sich auf die Hinterbeine und verharrt so eine Weile, ehe es den Baumstamm ansteuert und den Fuchs wieder vertreibt. Hin und wieder blickt der Bär in Richtung Hütte, als wüsste er genau, was hier vor sich geht.  Das Weibchen taucht wieder aus dem Wald auf. Zuerst ignorieren sich die beiden, dann beschnuppern sie sich vorsichtig, um sich dann neuerlich zu ignorieren.
Bärin Nr.1 und Bär Nr. 2












Bei Einbruch der Dämmerung ist die Beobachtung zu Ende, wir steigen in die Fahrzeuge und werden nach Zarnesti zurück verfrachtet. Die Bären haben ihren Wald wieder für sich allein. Die 2 1/2 Stunden sind wie im Flug vergangen.  Für mich wird es sicherlich ein nächstes Mal geben, jedoch mit einer zuvor gut recherchierten, persönlicheren Tour. 
Am nächsten Tag mache ich noch eine Beobachtung, diesmal aber zufällig und authentischer. Eine lange Wanderung führt mich durch die Zarnesti - Schlucht und über einsame Wege zur Berghütte Cabana Curmatura mitten im Nationalpark auf 1500 m Seehöhe.  Eine warme Suppe ist genau das richtige bei diesem kalten Wind hier oben. Doch als ich mich kurz für ein Foto abwende, sitzt plötzlich ein frecher Rotfuchs einen Meter von mir entfernt am Tisch und klaut eben den Rest aus meinem Pappbecher.  Ich halte lieber ausreichend Abstand, schon einer möglichen Tollwut-Infektion wegen.
Suppendieb



Beim Abstieg stoße ich am Waldrand auf ein ungleiches Paar, das ich bereits bei der Hütte getroffen hatte - ein junger Guide aus Brasov mit seiner Wander-Kundin, einer gut 80-jährigen, aber noch sehr rüstigen Engländerin. Er hätte auf der Hütte bemerkt, dass ich ein Teleobjektiv mit mir trage, ob sie es wohl kurz benützen dürften? Er hat leider kein Fernglas dabei
 und in der 500 m entfernten Felswand befände sich möglicherweise ein Bär!   Abwechselnd beobachten wir den kleinen schwarzen Fleck und tatsächlich lässt sich neben dem erwachsenen Tier ein Junges erkennen. Die beiden bewegen sich nicht sehr viel und suchen den kleinen Felsabsatz in der Wand nach Essbarem ab. Manchmal braucht es halt nur ein wenig Glück für einen tollen "wildlife moment".
Der Weg ins Herz des Nationalparks führt durch die Zarnesti-Schlucht

Größe:   6   beinahe 150 km 2 Gesamtfläche, auch die angrenzenden Wälder wirken naturnahe erhalten

Bedeutung und Naturschutz:   5   Eines von vielen ähnlichen Kalkgebirgen in Rumänien. Durch den Nationalparkstatus ist die Gefahr illegaler Abholzungen geringer als anderswo im Land

Highlights:   6   Schöne, aber keineswegs außergewöhnliche Landschaften mit Felsabstürzen und Schluchten. Ursprüngliche Fauna und Flora.

Wildnisfaktor:    7    Im Vergleich zu mitteleuropäischen Gebirgsstöcken fallen hier die fehlende Bewirtschaftung der Wälder und die natürlich und  gesund wirkenden Waldgesellschaften auf. An den Hauptwegen durch den Park sind aber viele Wanderer unterwegs.

Service:    6    Markierungen und Zustand der Wanderrouten entspricht dem mitteleuropäischem Standard, wenige Schutzhütten sind vorhanden. Viele Möglichkeiten für diverse Naturbeobachtungen mit professionellen Guides. Etwas vernachlässigtes Besucherzentrum.

Öffentliche Erreichbarkeit:    7    Die Stadt Zarnesti ist sehr gut  per Bahn erreichbar, von dort starten einige Wanderrouten in den Park. Wenn man andere Ausgangspunkte ansteuern möchte, ist man auf die günstigen Taxis angewiesen.

Meine Bewertung:     6,1

Der Weg zur Cabana Curmatura führt durch urtümliche Wälder

Immer wieder stößt man an den Wanderwegen auf Bärenlosung













Das Gebiet mit Geologie, Flora und Fauna:  Das Königstein-Gebirge (Pietra Craiului) liegt an der südöstlichen Rundung des Karpatenbogens etwa 30 km von der Großstadt Brasov (Kronstadt) und 200 km von Bukarest entfernt. Der Aufbau aus Jurakalken sorgt für zahlreiche Karsterscheinungen und verwitterte Felsbildungen, etwa die bizarren Karstformationen von "La Zaplaz" auf 1600 m Seehöhe 
Formationen von "La Zaplaz"
an der Westseite des Gebirges. Die engen Schluchten südlich von Zarnesti werden durch über 50 m hohe Wände gebildet, wo zahlreiche Kletterrouten eingerichtet sind. Ein naturbelassener Mischwald, hauptsächlich aus Fichte, Weißtanne, Bergahorn und Hainbuche bestehend, bildet den Lebensraum für zahlreiches Rotwild, Hasen und Gämsen, die wiederum zur Beute aller klassischen osteuropäischen Raubtiere werden, die hier vollständig im Pietra Craiului vertreten sind.  Der Guide aus Brasov erzählte von einer Wolfsbegegnung bei einer Skitour im vergangenen Winter, als ein einzelnes Tier keine 20 m entfernt gelassen an ihm vorbei trabte. Die Wolfspopulation hier ist gesund und stabil. Die Anzahl der Braunbären im Nationalpark wird auf 40 bis 50 Exemplare geschätzt, in ganz Rumänien sollen es über 7000 sein. 
An den Zugängen sind zahlreiche Warntafeln angebracht















Die Lokalbahn verbindet Zarnesti mit Brasov
Service und öffentliche Anbindung:   Am Wiener Hauptbahnhof startet jeden Abend ein direkter Nachtzug der Rumänischen Staatsbahn Richtung Bukarest, dem man gegen Mittag des kommenden Tages in Brasov entsteigt.  Ab hier kann die im Zweistundentakt verkehrende private Lokalbahn in die Kleinstadt Zarnesti am nördlichen Nationalpark-Rand in Anspruch genommen werden.  Zarnesti war während der kommunistischen Ära hoch geheimer Standort einer wichtigen Rüstungsfabrik, heute hingegen leben viele Einwohner vom Öko- und Outdoortourismus. Hier befinden sich viele Hotels und Pensionen, verschiedene Bären-Beobachtungstouren und geführte Naturwanderungen können vor Ort gebucht werden.  Wenn man sich schon in der Gegend befindet, empfiehlt sich ein Spaziergang durch Brasov (deutscher Name: Kronstadt) mit seiner bezaubernden Altstadt sowie ein Stadtblick vom Hausberg Tampa, der auch bequem mit der Seilbahn bezwungen werden kann. 
In nahen Brasov leben etwa 250000 Einwohner


















An den Rändern des Parks sind zahlreiche Schafherden anzutreffen, die von den Hirten in Transhumanz-Bewirtschaftung durch das Land getrieben werden

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