28. NATIONALPARK BERCHTESGADEN , BAYERN , DEUTSCHLAND
















Der Königssee vom Aussichtspunkt Rabenwand















NATIONALPARK BERCHTESGADEN , DEUTSCHLAND

 Größe:   208 km2     Gegründet:    1978     Besucht:    Juni 2024



Charakteristik:  Deutschlands einziger alpiner Nationalpark dicht an der österreichischen Grenze birgt mit dem berühmten, 2713 m hohen Watzmann und dem fjordähnlichen Königssee zwei eng miteinander verwobene, landschaftliche Schwergewichte. Darüber hinaus gibt es viele weitere interessante Ziele und lohnende Wanderrouten zu entdecken, wenn man sich vom Touristenrummel am Königssee nicht abschrecken lässt. 
Der Königsbach bildet nahe seiner Mündung in das Ostufer des Königssees malerische Wasserfälle und Gumpen. Dieses  Gebiet entwickelte sich in den letzten Jahren zunehmend zum Instagram-Hotspot. Nachdem es dadurch zu massiven Naturzerstörungen kam, verbot die Nationalparkverwaltung vorerst bis 2026 den Zutritt




















Der Watzmann (2713 m)











Der Watzmann

Der Watzmann ist das Kernstück des Nationalparks Berchtesgaden und eine der markantesten Berggestalten der Nördlichen Kalkalpen.  Darüber hinaus besitzt er mit seiner insgesamt 1800 m hohen Ostwand vom Ufer des Königssees bis zum Gipfel der Mittelspitze die höchste durchgehende Felswand der Ostalpen.  Ihre Durchsteigung ist gefährlich, hier ließen mehr Bergsteiger als in der Eiger-Nordwand ihr Leben. Eine begehrte Tour, die Bergsteiger aus ganz Europa anzieht, ist die Überschreitung des Gipfelgrats vom Watzmannhaus über das Hocheck (2561 m), die Mittelspitze (2713 m) und die Südspitze (2712 m) hinunter zur Wimbachgrieshütte und durch das lange Wimbachtal bis zur Wimbachbrücke. Das Unternehmen erfordert für den  Normalsterblichen mindestens 2, eher aber 3 Tage Zeitaufwand. Der Gipfelgrat zwischen den höchsten Punkten ist teilweise mit Drahtseilen und Steighilfen ausgestattet, es handelt sich aber um weit mehr als nur einen Klettersteig, vielmehr um eine hochalpine Unternehmung.
"Wauna donnert, Gott behüt
der Berg, der kennt ka Einsegn nit
Watzmann, Watzmann, Schicksalsberg,
du bisch so groß und I nur a Zwerg."
Wolfgang Ambros - Der Watzmann



MENSCHEN

Natürlich steht immer der Naturraum im Vordergrund, wenn es um Nationalparks geht. Doch besitzen viele davon auch eine Historie, die von Menschen handelt.  Dabei stößt man zuweilen auf bemerkenswerte Lebensgeschichten. Hier sind zwei Beispiele aus der Nationalpark-Region:

Der "Kederbacher"
Franz Grill ,  der "Kederbacher" (1835 - 1917)
Franz Grill war ein einfacher Bauer aus Ramsau im heutigen Nationalpark Berchtesgaden, der eine für die damalige Zeit erstaunliche Bergkarriere schaffte. Franz Grill wurde im 19. Jahrhundert erster deutscher Bergführer mit einer Lizenz, er durchstieg 1881 als erster die 1800 m hohe Watzmann - Ostwand und führte bereits 13 Jahre zuvor die erste Überschreitung des Watzmanns durch. Grill leitete seine Kunden aber auch auf entfernte Berge, auf den Montblanc und in die Schweiz. Im steirischen Gesäuse bestieg der "Kederbacher" im Jahr 1877 als erster den Großen Ödstein. Seinen Hausberg Watzmann erkletterte er bis ins höhere Alter viele Male. Die Watzmann-Ostwandroute ist noch heute unter der Bezeichnung "Kederbacher- Weg" ein durch seine extreme Länge und Wildheit anspruchsvoller Klassiker im unteren 4. Schwierigkeitsgrad.

Königssee 1943
Felicitas Moderegger (1887 - 1962?)
In der  gut gemachten NS-Gedenkstätte Dokumentation Obersalzberg bei Berchtesgaden, wenige Kilometer außerhalb des Nationalparks gelegen, kann man auf das Schicksal dieser Frau aufmerksam werden. Sie entstammte einer jüdischen Breslauer Familie, heiratete den Bayern Max Moderegger und betrieb ab 1920 gemeinsam mit ihm das Strandbad am Königssee, direkt neben dem besten Haus am Platz, dem Hotel Schiffmeister, wo später Adolf Hitler und sein Gefolge in den Dreißigerjahren häufig einkehrten. Obwohl ursprünglich fester Teil der Dorfgemeinschaft, wurde Felicitas nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunehmend angefeindet.  In der Ausstellung ist ein Brief eines fanatischen Urlaubers zu sehen, der sich beim Hetzblatt "Der Stürmer" darüber beschwert, dass man am Königssee einer Jüdin sein Geld überlassen muss, um baden zu können.. 1938 zwang die örtliche Kreisleitung Max Moderegger dazu, seine Frau vom Strandbad auszuschließen und in der Reichskristallnacht am 9./10. November wurde Felicitas genötigt, ihre Familie (auch den gemeinsamen Sohn Rolf) zu verlassen. Sie flüchtete in die Niederlande, wo sie schließlich nach dem deutschen Einmarsch verhaftet und ins KZ Theresienstadt deportiert wurde. Sie überlebte, ihr Mann jedoch nicht.  Er verstarb 1944 plötzlich, vermutlich aus Sorge um seine Frau und seinen Sohn, der als Halbjude galt. Nach dem Krieg kehrte Felicitas Moderegger für wenige Jahre an den Königssee zurück, um dann in den 1950ern mit Sohn Rolf nach Argentinien auszuwandern. 


Im oberen Teil des Wimbachgriestals mit Blick zum ebenfalls im Nationalpark liegenden Hochkalter (2607 m)















Mein Nationalpark:  (Juni 2024 - ins Wimbachtal ) 

Wimbachklamm
Als wir um 9h30 bei der Wimbachbrücke aus dem Bus steigen, liegt die Temperatur bereits bei 25 Grad. Und ausgerechnet heute planen wir,  durch das Wimbachtal zur Wimbachgrieshütte aufzusteigen.  
Wenige hundert Meter taleinwärts steht neben dem Weg ein Kassenautomat für die benötigten Coins zum Eintritt in die Wimbachklamm, die man auch umgehen könnte. Aber allein des Kühleffekts an heißen Tagen wegen zahlt sich die Klamm aus, und sie ist auch für sich genommen ein schönes Erlebnis. Der unterste Teil des Wimbachs schießt hier zwischen Wänden dahin und viele kleine Wasserfälle stürzen seitlich die Felsen herunter. An den Stegen und Steiganlagen wirken die feinen Wassertropfen in der Luft wie eine Klimaanlage.  Nach der Klamm geht es vorerst durch schattigen Wald weiter sanft bergauf.

Schuttströme im Wimbachgriestal














Das 10 km lange Gletschertal begrenzt das Watzmann-Massiv auf der gesamten Westseite, wie das der Königssee im Osten macht. Das Bemerkenswerteste an ihm sind die unglaublich mächtigen Schuttströme aus Kalk- und Dolomitgeröll, eine der größten Schutthänge der Nordalpen. Diese Schotterhalde ist unmerklich langsam, aber dennoch ständig in Bewegung und wandert unterhalb der Wahrnehmungsgrenze permanent talwärts. 
Auf ungefähr halber Strecke wird das "Wimbachschloss" erreicht - 1784 erbaut, später als Jagdschloss der bayrischen Wittelsbacher genutzt und heute ein bemerkenswerter Berggasthof. Bemerkenswert sind  einerseits die ressourcensparende Speisekarte mit ausschließlich biologischen Lebensmitteln und auch einigen veganen Gerichten, andererseits das umfassend nachhaltige Konzept der Betreiber. Vor allem aber schmeckt es hier  fantastisch. Ich kann mich später, als wir dann am Rückweg zum Essen einkehren, nur mit Mühe davon abhalten, meinen Teller abzulecken. Gemüse-Wildeintopf, ein Traum. 
Wimbachgrieshütte
Mit zunehmender Höhe wird es etwas kühler, auch ein erfrischender Wind kommt auf. Am oberen Ende des Wimbachgriestals in 1327 m Seehöhe steht am südlichen Sockel des Watzmanns die Wimbachgrieshütte der Münchner Naturfreunde. Hier kehren die erschöpften Watzmann-Überschreiter, von der Südspitze kommend, zur rettenden Stärkung ein, bevor die letzte Etappe ins Tal hinaus beginnt. In umgekehrter Richtung wird die Tour nur selten gemacht, denn so wären  bis zur Südspitze 1400 Höhenmeter in kürzester Distanz fällig. 

Während der Rast im schattigen Hüttengarten fällt Karin ein großer Raubvogel auf einem einzeln aufragenden Felsturm oberhalb der Hütte auf.  Ein Sitznachbar borgt uns sein Fernglas, dennoch sind wenig Einzelheiten erkennbar. Es könnte ein Steinadler sein, hier im Nationalpark gibt es ein Wiederansiedlungs-Programm für diese Raubvögel. Wenn das Tier wegfliegen würde, könnte man es vielleicht besser beobachten.  Aber den Gefallen tut es uns nicht, bei unserem Aufbruch hockt der Vogel nach wie vor unverändert am Felsen.
Viel später lese ich zuhause auf der Hütten-Webseite eine Geschichte, die mir noch völlig unbekannt war: Während des zweiten Weltkriegs soll das Wimbachgries als Versteck für Widerstandskämpfer und Flüchtlinge vor den Nazis gedient haben. Wenn es stimmt, ist dies bemerkenswert, denn Adolf Hitler persönlich hielt sich bis kurz vor seinem Tod im Berliner Bunker oft im Berghof am Obersalzberg auf, keine 15 km Luftlinie von diesem Widerstandsnest entfernt.
Diese Geschichte erinnert jedenfalls sehr an die Widerstandsgruppe "Igel" im österreichischen Salzkammergut, deren Hauptquartier sich ebenfalls sehr nahe am Nazi-Hotspot Bad Aussee befand.





Bewertung:  
Größe:  6  
Bedeutung/Naturschutz:   7
Highlights:   7
Wildnis-Feeling:   3
Service:   7
Öffentliche Anbindung:   8

Meine Bewertung:    6,3

Dolomit-Landschaft an der Watzmann-Westflanke






Das Gebiet mit Geologie, Flora und Fauna:
Der Nationalpark Berchtesgaden im äußersten Südostzipfel Deutschlands ist im Osten, Süden und Südwesten vom österreichischen Bundesland Salzburg umgeben.   Zwei Bergmassive (Watzmann und Hochkalter) liegen vollständig innerhalb der Grenzen, darüber hinaus haben noch der Jenner, das Hagengebirge, das Steinerne Meer und das Wagendrischlhorn Teilgebiete im Nationalpark. Der mehr oder weniger Nord-Süd verlaufende Königsee liegt wie ein skandinavischer Fjord zwischen den Berghängen, ganz im Westen des Schutzgebiets liegt der Hintersee in der Ramsau. 
Königssee von Achenkanzel (Bild: Internet)
Geologisch befindet sich der Park in den Nördlichen Kalkalpen, die Berge sind wie der bestimmende Watzmann aus Dachsteinkalk und Dolomiten aufgebaut. Bemerkenswert sind die riesigen Schuttströme im Wimbachtal. Die Vegetationsstufen entsprechen den typischen Stockwerks-Gliederungen der nördlichen Kalkalpen : Laubmischwald - Nadelwald - Krummholzstufe. Auch die Tierwelt bietet keine Überraschungen gegenüber den benachbarten Gebirgsstöcken , die häufigsten Säugetiere sind Gämsen und Rotwild, große Raubtiere als Fressfeinde kommen praktisch nicht (mehr) vor. 



Durch den Wald zu tollen Badeplätzen am Ostufer






Service und Öffentliche Erreichbarkeit:  Aus Österreich kommend verbinden direkte Regionalbusse  den Königssee mit dem Salzburger Hauptbahnhof. Es gibt auch eine Bahnverbindung von Berchtesgaden über Freilassing nach München. Zwischen dem östlichen Parkbereich bei Schönau am Königssee und dem westlichen Teil (Wimbachbrücke und Ramsau) verkehren Busse, leider nicht allzu häufig.  Das originellste Verkehrsmittel stellen die Personenboote der Königssee-Schiffahrt dar. Von Schönau geht es mit einem Zwischenstop bei der Halbinsel Sankt Bartholomä mit seiner
St.Bartholomä (Bild: Internet)
Wallfahrtskirche auf einer Halbinsel weiter ans südliche See-Ende, wo etliche Wanderwege ins Hagengebirge und Steinernes Meer ihren Anfang nehmen.  Bei jeder Schifffahrt über den See wird an bestimmten Stellen Trompetenmusik gespielt, um den Fahrgästen das von den Felswänden zurückgeworfene Echo zu demonstrieren.
Das Besucherzentrum des Nationalparks befindet sich außerhalb , nämlich im Stadtgebiet von Berchtesgaden. Wandern und Bergsteigen stellen die Hauptaktivitäten dar. Unweit des Sees birgt der Grünstein  eine Klettersteiganlage für "Ferratisten" in den Schwierigkeiten B/C bis E.
Und am Ostufer des Königssees, ein Stück nach dem Panoramaplatz "Malerwinkel" über einen kleinen Weg am Ufer erreichbar, finden sich wunderbare Natur-Badeplätze! 

Königssee-Schifffahrt

Die nächsten Nationalparks warten bereits:
 
Parc national des Pyrenees und Parc national de Ecris (Südfrankreich)




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