30. NATIONALPARK CEVENNEN FRANKREICH

 

 Parc Nacional de Cevennes

Größe:   3213 km2    Gegründet:  1970     Besucht:   Juli 2024
Die Ufer des Tarn sind noch völlig naturbelassen


Charakteristik:  Der Fluss Tarn hat im Verlauf von Jahrmillionen seine berühmten Schluchten in das weiche Kalkgestein der "Causses" genannten Hochflächen in den französischen  Cevennen gefräst.  Winzige Weiler und kleine Städte ducken sich in den Schluchten und einige spektakuläre Tropfsteinhöhlen sind von den Kalkstein-Plateaus aus zugänglich. 


Bewertung

Größe:  9
Bedeutung / Naturschutz:   5
Wildnis:   4
Highlights:   5
Service:   8
Öffentliche Erreichbarkeit:   4

Meine Bewertung:    5,8


Die kleinen Dörfer an den Hängen sind aus Natursteinen errichtet

Mein Nationalpark (Juli 2024):   Eigentlich bin ich kein Radfahrer und Mountainbiker schon gar nicht. Dennoch zaudere ich momentan mit meinem ausgeborgten E-Mountainbike oberhalb des steilen, vom Regen ausgewaschenen Abhangs und trau mich nicht so recht runter.  Gefühlt bei jedem zehnten Nationalpark steht man wie hier vor dem Problem, dass vor Ort kein öffentlicher Transport existiert, um zu den lohnenswerten Plätzen oder den Startpunkten von Wanderungen zu gelangen. So habe ich mir hier in Florac-Trois-Rivieres im Nationalpark Cevennen tatsächlich ein Rad geborgt, um überhaupt irgendwohin zu kommen. 
Ein anderer Biker radelt an mir vorbei, wirft mir einen Blick zu und prescht eiskalt den Steilhang hinunter. Ich tue angelegentlich so, als würde ich die Landschaft genießen  - was ja auch tatsächlich der Wahrheit entspricht. Ich befinde mich hier am östlichen Eingang zum 35 km langen System der Schluchten des Tarn (Gorges du Tarn). Der gleichnamige Fluss hat sich in unzähligen Mäandern sein 300 bis 500 m tiefes Bett zwischen die Kalkplateaus gegraben. Felsen säumen die Ufer und kleine, aus Natursteinen erbaute Dörfer klammern sich an die Hänge. Spektakuläre Landschaften wie in den Pyrenäen, von wo ich eben herkomme, gibt es hier zwar nicht, doch dafür ist es schön abgeschieden und beschaulich.  Schließlich wird mir das Zaudern zu dumm und ich fahre endlich los. In meiner Unerfahrenheit bremse ich unnötig scharf, verkante, kippe um und lande mit samt meinem Rad im Schlamm. Später gewöhne ich mich an diese Art der Fortbewegung und finde sogar ein wenig Gefallen daran. Hinter dem Dorf Ispagnac beginnt die eigentliche Tarnschlucht, abwechselnd werden die Hauptstraße,  kleine Nebenstraßen oder am Hang verlaufende Mountainbike-Routen benützt. 
Einige Dörfer und winzige Städte liegen dicht an den Windungen des Tarn: Montbrun, Blajoux, Georges du Tarn, Saint Chely du Tarn.  In Montbrun lässt sich ein Steiglein begehen, das direkt zu einem einsamen Schotterstrand am Tarn-Ufer führt - was für ein toller Platz zum Rasten. Hier zweigt auch eine schmale Strasse zur Hochfläche "Causse Mèjean" hinauf ab. Die 400 Höhenmeter auf Asphalt sollten mit E-Unterstützung auch für mich zu machen sein.  Inzwischen haben sich die Regenwolken verzogen und die Sonne brennt herab. Die Route windet sich durch Wälder und kleine Ortschaften. Einige Pausen später stehe ich endlich am Rand der

Hochfläche. Der Blick in die tiefe Tarn-Schlucht ist erwartungsgemäß aufregend, die welligen Hochflächen der "Causse" wirken dagegen etwas langweilig.  Kahle Landstriche wechseln sich mit hellgrünen Weideflächen ab. Gestern hatte ich bei meinem Besuch im Nationalparkzentrum Florac erfahren, dass hier oben noch intensiv Schafzucht betrieben wird.  Ich verstecke das Bike hinter einer Baumgruppe und gehe ein wenig spazieren. Von dieser Stelle wären es noch 30 km auf schmalen Straßen bis zu einer der berühmtesten Tropfsteinhöhlen Europas - dem "Aven Armand".  Das wird sich leider nicht ausgehen. Beim Aufstieg habe ich die höchste Unterstützungsstufe gewählt und mein Akku ist zu 3/4 leer. Heim nach Florac muss ich ja auch noch. Wieder unten beim Flussufer gibt es eine kurze Rast neben einem Campingplatz, der sich ganz dem Paddeln und Raften verschrieben hat. Eine deutsche Rafting-Gruppe wird vor ihrem Guide eben 
auf die Flussfahrt vorbereitet. Die Aspiranten sind freudig aufgeregt und winken mir fröhlich bei der Vorbeifahrt zu. Das ist wahrscheinlich eine der schönsten Möglichkeiten, diesen Nationalpark zu erkunden. Ich mache mich auf den Weg zurück und hoffe inständig, dass die Akkuladung noch bis Florac anhält. Es geht sich irgendwie aus, obwohl der Akkustand-Anzeiger seit einer gefühlten Ewigkeit auf 0 zu zeigen scheint. Etwas pikiert nimmt die Angestellte der Verleihfirma das verdreckte Rad entgegen und rümpft die Nase. Na hallo, schließlich ist es ein Mountainbike !


Florac- Trois- Rivieres ist angenehmer Stützpunkt und Sitz der Parkverwaltung












Das Gebiet :  Im Süden des französischen Zentralmassivs, keine 100 km vom Mittelmeer entfernt, existiert neben einigen Naturparks auch einer von elf französischen Nationalparks. Von den europäisch-französischen besitzt der Nationalpark Cevennen mit über 3200 km2 die größte Fläche, nur der Amazonas-Nationalpark im  Überseegebiet Französisch - Guyana ist noch ausgedehnter. Der Mont Lozère erreicht 1699 m Höhe, ein Granitberg im nördlichen Parkteil. Vorherrschend sind aber die Hochflächen aus Sedimentgestein mit Seehöhen zwischen 800 und 1200 m, welche "Causses" genannt werden. Eine der größten davon ist die Causse Mèjean, die
im Osten, Norden und Westen von den Schluchten des Flusses Tarn ("Gorges du Tarn") begrenzt wird.  Es handelt sich hier um dünn besiedelte, naturnahe Landstriche,  jedoch keineswegs um eine menschenleere Wildnis. Wichtigste Siedlung und Sitz der Nationalpark - Verwaltung ist das charmante Städtchen Florac-Trois-Rivères am Zusammenfluss von Tarnon und Tarn.  In den Schluchten wachsen Kastanienwälder, die Causses sind vorwiegend baumlos und werden teilweise als Wirtschaftsraum für Schafzucht genutzt.  Vor allem auf den Kalkplateaus befinden sich zahlreiche Höhleneingänge. Manche sind als Schauhöhlen öffentlich zugänglich, eine weltweit berühmte ist der "Aven Armand" auf der Causse Mejèan.  Mufflons streifen in den höheren Lagen des Parks umher und in den Schluchten lebt die nachtaktive Ginsterkatze.

Ein besonderes Tier:  Die Kleinfleck-Ginsterkatze 

Ginsterkatze (Bild: Internet)
Eigentlich kommt dieses zur Familie der Schleichkatzen zählende Raubtier hauptsächlich in der Sahara und Subsahara Afrikas vor. Hier in Südfrankreich und Spanien gilt es als eingeführte Art. Die Ginsterkatze
 frisst Mäuse und Ratten und ist daher ein wichtiger Schädlingsbekämpfer.
Das langgestreckte, wie eine Mischung aus Wildkatze und Marder wirkende Geschöpf verschläft den Tag in Verstecken und ist ausschließlich nachts unterwegs, deswegen haben es vermutlich nur wenige Menschen jemals in freier Wildbahn gesehen.  

Service und öffentliche Erreichbarkeit:  Diese beiden Punkte fallen höchst unterschiedlich aus. Das Service ist vorbildlich.  Der ehemalige Bahnhof in Florac (die dazugehörige Bahnstrecke nach Arles ist seit Jahren stillgelegt) wurde zum modernen, sehr informativen Nationalparkzentrum umgestaltet. Selten habe ich so viele Mitarbeiter, die noch dazu auch alle englisch sprechen, in einer Info-Stelle eines Nationalparks erlebt. Wenige Kilometer außerhalb desselben Ortes bietet das Touristikunternehmen "Cevennes Evasion" Leihfahrräder, geführte Klettersteig- und Höhlentouren sowie Outdoorausrüstung an.  In der Altstadt von Florac finden sich kleine Hotels
neben Straßencafés und Restaurants. In den Tarn-Schluchten lässt es sich gut wandern, biken oder paddeln. Mit dem Öffi-System sieht es dann nicht so gut aus.
Wer sich vor Ort nach einem lokalen Busangebot umsieht, wird enttäuscht.  Außer einer  täglichen Verbindung Florac-Ispagnac existiert hier keinerlei Liniendienst, weder in die Schluchten des Tarn noch zu einem der pittoresken Steindörfern an den Hängen. So bleiben außer Fußmärschen nur Leihräder, Leihautos oder Taxis. 
Die Anreise mittels öffentlicher Verkehrsmittel gestaltet sich zwar mühsam, ist aber immerhin möglich.  Ausgangspunkt ist die Stadt Nimes,  wo Regionalzüge bis Arles starten. Vom dortigen Busbahnhof fährt 1 x morgendlich ein einziger Bus nach  Florac-Trois-Rivieres.  Den sollte man besser nicht versäumen, sonst sitzt man einen weiteren Tag im mäßig spannenden Arles fest. Immerhin ist das Bussystem der Provinz Oktzitanien öffentlich gestützt: Wie auch in den Pyrenäen zahlte ich hier pro Strecke stets nur 2 Euro - egal ob die Fahrt 10 oder 90 min dauerte.






 









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