35. NATIONALPARK DE BIESBOSCH , NIEDERLANDE









Nationalpark de Biesbosch ,  Niederlande

Größe:   90 km2    Gegründet:   1994    Besucht:  November 2024

Charakteristik:  Dieses Feuchtgebiet am Unterlauf des Rheins mit Wasserflächen, Galeriewäldern und Binsengestrüpp liegt eingezwängt zwischen den Großstädten und  Industriegebieten der südlichen Niederlande und bietet in dieser dichtbevölkerten Region eine wichtige Überlebens-Oase für viele Tier- und  Pflanzenarten.













Verstreut im Gelände finden sich einige Lokale mit Getränken und Imbissen

Mein Nationalpark (November 2024):   Meistens befinden sich Nationalparks in entlegenen Ecken der jeweiligen Länder und sind zuweilen schwierig öffentlich erreichbar, was die langsame Annäherung zu einem eigenen kleinen Abenteuer werden lässt.  In den Niederlanden ist das anders, hier gibt es keine entlegenen Ecken. Mit über 500  Einwohnern je km2 zählt dieses wohlhabende Land zu den am dichtest bevölkerten Regionen Europas.
Neben den zahlreichen Frachtschiffen auf ihrem Weg zwischen dem Ruhrgebiet und dem Rotterdamer Hafen tuckert der am Altstadt-Kai in Dordrecht gestartete "Water-Bus Nr. 23" auf dem Flussarm "Beneden Merwede" dahin. Die Ufer sind beinahe lückenlos mit Wohnsiedlungen, Industriebauten und Werften bestanden. Wo, um alles in der Welt, soll hier noch Platz für einen Nationalpark sein? 
Dann steuert das kleine Schiff ein Stück bewaldetes Ufer an. Die junge Bootsführerin schreit mir , den
 Biberspuren überall
Motorenlärm übertönend, "De Biesbosch" zu. Gleich hinter dem modernen Anlegesteg taucht man in die Wälder und Feuchtgebiete des Nationalparks ein, ein Schild weist zum 20 Minuten entfernten
"Biesbosch-Zentrum".  Eine freundliche Mitarbeiterin deckt mich mit Karten- und Infomaterial über die zur Zeit benutzbaren Wanderrouten ein. Ich beginne mit dem interessant klingenden "Biber-Trail". Das Innere einer nachgebauten Biberburg kann gebückt besichtigt werden, danach führt eine Treppe auf einen Aussichtspunkt am Rand eines Altarms hinauf. Am gegenüberliegenden Ufer ist eine echte 


Biberburg zu erkennen, geduldig wie erfolglos warte ich eine Weile auf das Auftauchen ihrer Bewohner.
Die hier vorkommenden Bisamratten lassen sich ebenso wenig blicken. Dafür fallen mir in den nächsten Stunden mehr Wasservögel ins Auge als während meiner gesamten Reise durch das "Vogelparadies" Nordmazedonien im vergangenen Monat. Zweimal schrecke ich große weiße Reiher auf, die zwischen den Binsen nach Nahrung gesucht haben und nun mit ihrer riesigen Spannweite den
Ein Stützpunkt auch für Wildenten
Wasserlauf entlang schweben, Schwärme von Wildenten im Formationsflug ziehen knapp über mich hinweg. 
Der markierte Trail führt durch das Gelände einer Öko-Lodge, wo Besucher während der Sommersaison in kleinen Holzbungalows inmitten des Nationalparks übernachten können.
Über einen der vielen Wasserläufe wurde ein Holzsteg am Rande einer langen Reihe Binsen errichtet, von hier aus lassen sich gut in Ruhe die Wildenten beobachten. Auf dem Steg sitzend sind ausschließlich Flussarme, Pflanzen und Wasservögel zu sehen, man könnte sich weit entfernt irgendwo inmitten einer Wildnis wähnen. Wenn da die Geräuschkulisse im Hintergrund nicht wäre, die den Besucher hier niemals verlässt. Motorenlärm, Schiffsirenen, allgegenwärtiges Brummen und Rumoren knapp oberhalb der Wahrnehmungsgrenze als permanentes Zeichen menschlicher Zivilisation. 
Als diese Landschaft einst entstand, gab es den Lärm mit Sicherheit noch nicht. Im Mittelalter standen hier Rinder auf fruchtbaren Weiden, bis diese Region im Jahr 1421 durch eine fürchterliche Sturmflut verwüstet wurde. Die Bauern siedelten ab und im Laufe der Zeit entstand ein unübersichtliches  Feuchtgebiet mit unzähligen Flussarmen, Wäldern und Dickichten. Das Wort "Biesbosch" bedeutet im Niederländischen "Binsenwald". 
Auf einer versumpften Wiese grasen hier heute noch einige Rinder, dazwischen haben sich unbeweglich stehende Reiher wie Soldaten postiert und werden von den Hunden der Spaziergänger verbellt..
Einmal komme ich vom Weg ab, durchquere ein Wäldchen und stehe unvermittelt am Grün eines Golfplatzes. Ein einsamer Sportler spielt hier seine Runden und beginnt zu schimpfen, als er meiner ansichtig wird.  Zum Glück verstehe ich kein niederländisch. Schnell verschwinde ich wieder zwischen den Bäumen , bis vor mir überraschend ein kärglich mit Gras bewachsener, gut 50 Meter hoher  Hügel aufragt, ein unerwarteter Anblick in diesem brettlebenen Land. Ich denke kurz darüber nach, ob sich eine Besteigung wegen der Aussicht auf den Nationalpark lohnen würde. Dann sehe ich die Lastenkipper, den hohen Zaun ringsherum und die vielen Schilder. Bei diesem "Berg" handelt es sich in Wahrheit um die Mülldeponie der Stadt Dordrecht - so nahe liegen hier die Welten beisammen. 

BEWERTUNG: 

Größe:     4
Bedeutung/Naturschutz:    7
Wildnis-Feeling:    3
Highlights:    2
Service:    9
Öffentliche Erreichbarkeit:    8

Meine Bewertung:    5 , 5

Die namensgebenden Binsengewächse finden sich hier allerorten


Das Gebiet mit Flora und Fauna:   80 km flussaufwärts der gemeinsamen Mündung von Rhein, Maas und Schelde in die Nordsee liegt südöstlich von Rotterdam und Dordrecht dieses große Feuchtgebiet mit 9000 ha Fläche. Der kleinere Teil mit dem Besucherzentrum befindet sich in der Provinz Zuid-Holland, der weitaus größere in Noord-Brabant. Die Uferverläufe verändern sich laufend, die Region beherbergt eine der seltenen Süßwasser - Gezeitengebiete Europas. Wenn bei Flut im Atlantik Salzwasser in die zahlreichen Mündungsöffnungen gedrückt wird, strömt auf Grund des flachen Geländeprofils auch das Süßwasser der Flüsse ein Stück landeinwärts, bis im Meer wieder Ebbe eintritt.
Biber-Präparat im Besucherzentrum
Namensgebend für das Gebiet sind die zahlreichen Binsen, sein Wappentier ist der Biber, dessen Spuren in Form von Dämmen, Burgen und angenagten Baumstämmen überall zu sehen sind.
Mit seinen vielen Wasserläufen und Galeriewäldern ist De Biesbosch ein ideales Habitat.  Und doch wurde hier dieses Tier wie beinahe in ganz Europa bis zum frühen 20. Jahrhundert ausgerottet, erst danach erfolgte die langsame Wiederansiedlung.  
Der Park ist aber auch ein Paradies für Wildenten,  Reiher, Seeadler und Eisvögel. 
Nationalpark-Anreise mit dem "Waterbus"
Service und öffentliche Erreichbarkeit:  Die 80.000 - Einwohner- Gemeinde Dordrecht ist die älteste verbriefte Stadt der Niederlande. Gleich hinter der entzückenden Altstadt mit ihren Mini-Grachten liegt der städtische Kai an der "Berweden Merwede", wo ein putziges öffentliches Verkehrsmittel wartet: Der sogenannte "Water - Bus", der an die venezianischen Vaporetti erinnert und mit einer Linie auch das Gebiet des Nationalparks um das "Biesboschzentrum" bedient.  Während der Sommermonate verkehrt auch eine Buslinie vom Dordrechter Bahnhof zum Schutzgebiet.
Das Besucherservice dieses Nationalparks ist, kurz gesagt, vorbildlich: Umfassend, freundlich und ausgesprochen professionell. Das könnte außer an den bekannten Merkmalen des niederländischen Charakters vielleicht auch daran liegen, dass kleine Naturjuwele wie "De Biesbosch" in diesem Land weit mehr geschätzt werden als anderswo. 
Dordrecht ist eine Miniversion von Amsterdam


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