43. NATIONALPARK HORTOBAGYI , UNGARN

 










Flacher kann eine Landschaft nicht sein


HORTOBAGYI NATIONALPARK ,  UNGARN
Der Hortobagy Nationalpark ist wie geschaffen für "birding" 


Größe:  805  km2   Gegründet:  1973    Besucht:  Mai 2025

Charakteristik:  Die Reste der ursprünglichen pannonischen Steppe, die Feuchtgebiete der alten Fischteiche und der schilfbestandene Theiß-See bilden die Höhepunkte dieses an sich unspektakulären Schutzgebietes, welches sich zum Mekka der Vogelbeobachter gemausert hat. 
 

Mein Nationalpark (Mai 2025):   "Birding": ..praktisches Teilgebiet der Ornithologie, bei der Vögel beobachtet .. und bestimmt werden. Das Interesse an der hobbymäßigen Vogelbeobachtung ist hoch.  ... manche führen akribisch Listen mit den gesehenen oder gehörten Vogelarten.." (Definition Wikipedia)

Wie oft habe ich mir in diversen Nationalparks bereits vorgenommen, mich mehr für die Vogelwelt zu interessieren, bisher war mir dieser Teilbereich der Fauna ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Hier im Hortobagy Nationalpark  bin ich aber in Profi-Begleitung unterwegs, sowohl Helmut als auch Moni sind erfahrene "birder" . Die erforderliche Minimalausrüstung besteht aus einem brauchbaren Fernglas, einem Notizblock, einem Bestimmungsbuch und vielleicht einer Vogel- App am Smartphone. Wenige Minuten nachdem wir bei der Kaparo` Czarda aus dem Bus gestiegen sind,  
Bienenfresser (Bild: Internet)
erleben wir das erste Tageshighlight. In einem Wäldchen am Rande der Puszta hält sich ein Schwarm Bienenfresser auf, eine der spektakulärsten Arten, die sich in Mitteleuropa beobachten lassen. Im Fernglas erkennt man gut das leuchtend türkis-rot-gelbe Gefieder der auf den Zweigen hockenden Tiere. Obwohl nicht näher mit jenen verwandt, erinnern sie auf den ersten Blick ein wenig an Spechte. Die Art brütet in Westasien und Europa, um dann im Herbst wieder nach Afrika zu übersiedeln. Was für ein toller Start für mich als blutigen Laien. 
Wir wandern weiter durch die Puszta, das Fernglas zumeist an die Augen gepresst. Flacher kann eine Landschaft nicht sein. Die im Burgenland beginnende Eurasische Steppe reicht, unterbrochen durch die Karpaten und die Ausläufer des Ural, bis in die Mongolei. In Ungarn sind heute moderne, nahezu flächendeckende Agrarflächen vorherrschend, hier im Nationalpark ist aber noch die ursprüngliche, leicht sumpfige Steppenvegetation 
erkennbar. Moni als Pflanzenfachfrau weist uns auf besondere Blüten am Weg hin, etwa das "Mädesüß", ein Rosengewächs, aus dem sich aromatischer Tee machen lässt.  Dazwischen ertönen regelmäßig begeisterte Ausrufe meiner Begleiter.  Ich weiß es ja nicht, aber vermutlich handelt es sich um typische Dialoge unter Birdern. "Da - ein Turmfalke. Nein, doch ein Rotfußfalke!"  "Da drüben, das muss eine Rohrweihe sein." "Klar, sieht man am V-förmigen Flugbild." Den elegant vorbei gleitenden Silberreiher erkenne sogar ich. Massenware wie Stockenten, Ringeltauben und Schwarzkehlchen wird eher beiläufig notiert, doch dann gerät Helmut in Aufregung. Am Horizont bewegen sich einige große Vögel, die ich anfangs für Reiher halte, in eigenartigen Mustern am Boden. "Das sind Kraniche, kann das sein?" Nach konzentrierter Beobachtung und hektischer Konsultation des Bestimmungsbuches steht fest: Hier in Zentralungarn befinden wir uns am Rand des Brutgebietes dieser Vögel, und was wir gesehen haben, ist tatsächlich ein Balzritual, der berühmte "Tanz der Kraniche". 
Der Untergrund ist nass und matschig durch die Regenfälle der letzten Stunden und unser Schuhwerk ist bereits komplett vollgesogen, aber die Begeisterung für die Vogelbestimmung hat mich erfasst. Es zeigen sich auch einige Säugetiere zwischen den Steppengräsern. Ein Rehbock grast friedlich unweit von uns, bis er Witterung 
Ziehbrunnen und bronzezeitlicher "Kurgan" in der Hortobagyi 


aufnimmt, ein großer Feldhase hoppelt im Zickzack davon.  Ein flacher Hügel neben einem alten hölzernen Ziehbrunnen durchbricht die landschaftliche Einöde. Es handelt sich um einen sogenannten "Kurgan", einen vermutlich aus der Bronzezeit stammenden Grabhügel. Er ist nach der Kurgan-Kultur benannt, die mit der Ausbreitung proto-Indoeuropäischer Völker nach Mitteleuropa in Verbindung gebracht wird. Die ungarische Steppe war jahrtausendelang ein Durchzugsgebiet für diverse Reitervölker aus dem Osten.
An den Fischteichen "Hortobagyi Halastavi"
Nächster Tag, nächstes Ziel: Die alten Fischteiche bei Hortobagyi. Die Anreise ist erstaunlich einfach. Der Regionalzug von unserem Standort Poroszlo hält auf seinem Weg nach Debrecen direkt beim Infozentrum. Dieses ist allerdings verwaist, die für touristische Zwecke umgebaute Fischbahn außer 
Betrieb und kein Mensch zu sehen. Dafür gewinnen wir einen neuen Freund in Form eines jungen Hundes, der uns kurzerhand adoptiert. Bis zur Rückfahrt wird er uns nicht mehr von der Seite weichen, leider sabotiert er aber auch manchmal unsere Vogelbeobachtungen durch aufgeregtes Gebell.  Die Fischteiche wurden während des ersten Weltkrieges angelegt, die einzige "Fischzuchtbahn" Europas wurde in 760 mm Spurweite erbaut. Heute dient nur mehr ein kleiner Teil der ursprünglichen 2000 ha noch wirtschaftlichen Zwecken. Hauptsächlich sind die Teiche nun ein wichtiges Vogelschutzgebiet und Teil des Ramsar-Abkommens zum Schutz europäischer Feuchtgebiete. 
Am Hauptweg zu den Teichen versinken wir knöcheltief im Schlamm, das ist keine Option für unsere mühsam getrockneten Schuhe. Doch der erhöhte Damm der Fischbahn erweist sich als idealer Fußweg. Hier sind natürlich 
Am Damm der Fischbahn
die zahlreichen Wasservögel das Hauptthema. Viele Reiherarten wie Silberreiher, Seidenreiher, Nachtreiher kommen vor.  Zur Freude von Moni und Helmut, denen diese Art noch in ihrer Agenda fehlte, entdecken wir auch seltene, rotbraun angehauchte Rallenreiher. Und nicht nur einen, entlang eines länglichen Teichs hockt ein Dutzend davon. Zumindest solange, bis sich unser Begleithund bellend einmischt. 

Zu dumm, dass niemand eine Kamera mit Teleobjektiv dabei hat, die Fotos mit dem Smartphone lassen sich nicht annähernd mit dem Blick durch das Fernglas vergleichen. Ein verwaistes Haltestellenhäuschen der Touristenbahn zeigt Infotafeln über die Vogelwelt, daneben erhebt sich ein hölzerner Beobachtungsturm. Von oben lassen sich die ausgedehnten Wasserflächen nochmals gut überblicken. Ein Stück entfernt lässt eine riesige Kormoran-Kolonie ein Schilfwäldchen beinahe schwarz erscheinen. Als wir später bei der Rückfahrt die Stufen des Bahnwaggons erklimmen, bleibt unser kurzbeiniger hündischer Begleiter fiepsend zurück und blickt uns mit verletztem Blick nach. Echt Herzzerreißend, zumindest bis wir uns an die von ihm verscheuchten Vögel erinnern.   

Auch der künstlich gestaute Theiß-See bei Porozlo mit seinen Seitenarmen und Schilf-Dickichten ist Teil des Nationalparks. Wir möchten aus ökologischen Gründen ein Elektroboot oder zumindest ein Kanu mieten. Beides geht nicht, der starke Wind trotz Prachtwetter weckt Sicherheitsbedenken beim Bootsvermieter. Also sündigen wir in Form eines Motorbootes mit Außenborder. Aber das abwechselnde

Steuern über die Wasserwege macht großen Spaß, wie es halt mit Sünden so ist. Schmale Kanäle führen kreuz und quer durch das Schilfdickicht, stets ist das Fernglas zur Vogelbeobachtung griffbereit. Ein prächtiger Eisvogel kreuzt knapp vor uns dicht über der Wasseroberfläche und auch hier lassen sich einige Rallenreiher sehen. Wie an jedem Abend gibt es auch heute eine eingehende Besprechung über die beobachteten Vögel mit Aktualisierung der geführten Listen. In den drei Tagen haben wir beachtliche 69 verschiedene Vogelarten bestimmt. Der Hortobagyi Nationalpark mag für sich ein mäßig spannendes Ziel sein, das "birding" macht den Besuch aber zu etwas Besonderem. 

Bewertung:  

Größe:   8
Bedeutung/Naturschutz:   6
Highlights:   5
Wildnis-Feeling:   2
Service:   4
Öffis:   8

Meine Bewertung:  5 , 5

Hier werden die Erwartungen an die typisch ungarische Landschaft nicht enttäuscht

Das Gebiet:  Bereits früh wurde 1973 im kommunistischen Ungarn erkannt, dass auch die eintönige, flache Puszta in ihrer ursprünglichen Form schützenswert ist, der mit 800 km2 recht ausgedehnte Nationalpark wurde gegründet.  Heute findet sich hier noch die unverfälschte Steppenlandschaft
, durch welche über die Jahrtausende asiatische Reitervölker nach Zentraleuropa gelangten.  Die originalen Salzsümpfe der Puszta stellten bereits einen wichtigen Standort für die regionstypische Fauna und Flora dar, die vor über hundert Jahren angelegten Fischteiche machten dann das Gebiet zum wichtigen Rast- und Brutplatz für Zug- und Wasservögel. 
Trasse der ehemaligen Fischbahn
Service und öffentliche Erreichbarkeit:  
Die touristische Infrastruktur ist am besten bei den Orten Porozlo und Hortobagyi ausgebaut, wo auch viele Restaurants und Unterkünfte zu finden sind. Poroszlo besitzt ein modernes Besucherzentrum mit großem, hochinteressanten Süßwasseraquarium.  Hier schwimmen diverse Störarten wie der Sterlet und der riesige Hausen im Glastunnel über die Besucher hinweg. Diese urtümlichen Fische, die einst auch in der Donau bei Wien vorkamen, leben auch in den Nationalparkgebieten der Theiß und des gleichnamigen Sees. Bei den Halastavi-Fischteichen wurde die ehemalige Fischzuchtbahn zur Touristenattraktion umgebaut, leider war diese bei unserem Besuch wie auch das dortige Besucherzentrum nicht in Betrieb. 
Lokalzug Poroszlo - Debrecen im Bahnhof Hortobagyi-Halastavi
Von Budapest Keleti gelangt der Besucher per Bahn mit einmaligem Umsteigen nach Poroszlo, zu den Teichen oder nach Hortobagyi, wo sich ebenfalls ein Nationalpark-Infozentrum befindet. Auch mit den lokalen Buslinien wird man gut und preiswert zu den verschiedenen Ausgangspunkten im Schutzgebiet befördert.

VOGELLISTE: 

Für die wirklichen Freaks hier noch die vollständige weitgehend alphabetische Liste der in den drei Tagen beobachteten (oder akustisch wahrgenommenen) 69 Arten: 
Amsel, Buntspecht, Buchfink, Blesshuhn, Baumfalke, Bachstelze, Bienenfresser, Braunkehlchen, Drosselrohrsänger, Dohle, Elster, Eisvogel, Feldlerche, Feldsperling, Fasan, Felsentaube, Flußseeschwalbe, Grauammer, Graugans, Graureiher, Haubentaucher. Höckerschwan, Hausrotschwanz, Haussperling, Kranich, Kiebitz, Kuckuck, Kormoran, Krähenscharbe, Kornweihe, Löffler, Lachmöwe, Mönchsgrasmücke, Moorente, Mittelmeermöwe, Mehlschwalbe, Mäusebussard, Nebelkrähe, Nachtigall, Nachtreiher, Neuntöter, Pirol, Purpurreiher, Rohrweihe, Rotfußfalke, Ringeltaube, Rabenkrähe, Rauchschwalbe, Rallenreiher, Rohrschwirl, Stockente, Silberreiher, Schilfrohrsänger, Star, Schwarzkehlchen, Stelzenläufer, Schwarzstirnwürger, Sprosser, Stieglitz, Singdrossel, Seidenreiher, Schwarzspecht, Turmfalke, Tafelente, Teichhuhn, Türkentaube, Wachtel, Weißstorch, Wiedehopf. 
Die (normalerweise) als Touristenzug verkehrende Fischbahn. Bild: Internet













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