44. NATIONALPARK ABISKO , SCHWEDEN

 











Größe:  77 km2
Gegründet:   1909
Besucht:   Juli 2025

Am Mittellauf des Abiskojakka
Charakteristik:   Das Tal des Abiskojakka-Flusses in Schwedisch-Lappland, bereits nördlich des Polarkreises und nahe der norwegischen Grenze gelegen, ist einer der zehn ältesten europäischen Nationalparks. Ein reißender, von lichten Birkenwäldern gesäumter Fluss durchzieht eine weite, subarktische Berglandschaft und wird streckenweise vom populärsten skandinavischen Weitwanderweg begleitet. 

Der Abiskojakka tost an seinem Unterlauf durch einen felsigen Canyon

und verschwindet in einem künstlichen Tunnel unter der Bahn- und Strassentrasse
Mein Nationalpark, Juli 2025: Eine Etappe am "Kungsleden"Der wohl berühmteste Weitwanderweg Skandinaviens, der "Kungsleden" (Königsweg) führt in 22 Etappen über 470 km von  Abisko bis Hermavan durch Schwedisch - Lappland. Die erste Tagesetappe verläuft zur Gänze durch den Nationalpark, und diese möchte ich heute begehen. Hin und zurück läppern sich 29 km Fußmarsch zusammen. Zeit habe ich ausreichend, denn es ist gerade mal 5 h morgens, als ich mein kleines gelbes Zelt am Campingplatz der Fjällstation verlasse. Die Temperatur liegt bereits bei 20 Grad. Die 24 Stunden Tageslicht Anfang Juli haben zur Folge, dass sich die Luft nördlich des Polarkreises während der "Nacht" kaum merklich abkühlt. Der "Abiskojakka" braust hier an seinem Unterlauf als wilder, laut tosender Gebirgsfluß durch einen Canyon mit bizarren Felsufern, bevor er lärmend in einem künstlichen Tunnel verschwindet.  Darin unterquert er Eisenbahn und Strasse und mündet kurz danach in den riesigen "Torneträsk"-See. Dieser Tunnel ist bemerkenswert. Er wurde beim Bau der Eisenbahnstrecke Kiruna-Narvik vor über 100 Jahren durch einen Felsriegel gesprengt und das ursprüngliche Bett wurde  zugeschüttet, da dieser neue künstliche Verlauf billiger kam als ein Brückenbau. 
Unterwegs am Kungsleden-Weitwanderweg
Der "Kungsleden" ist hervorragend markiert und führt die ersten Kilometer immer am Fluss entlang durch lichten Birkenwald. Dazwischen liegen morastige Senken und kleine Tümpel, die hervorragende Bedingungen für Milliarden Stechmücken bieten. Ständig umgibt mich beim Wandern eine summende Wolke aus Quälgeistern, der dick aufgetragene Mückenspray hilft nur teilweise. Als Ausgleich dafür ist die Landschaft großartig. Der schäumende Fluss, das helle Grün der Birken und dahinter schneebedeckte Fjällberge. Trotz der frühen Stunde bin ich nicht allein unterwegs. An einer malerischen Stelle oberhalb eines Felsenriffs am Flussufer bemüht sich ein asiatisches Pärchen mit Smartphones und Selfiestick um besonders spektakuläre Aufnahmen, wobei die beiden mit Turnschuhen gefährlich nahe an der Abbruchkante herumturnen, die schon beinahe lächerliche Zurschaustellung eines Influencer-Klischees.  Hin und wieder leitet der Weg vom Fluss weg und über Holzbohlenstege durch 
Moorgelände. Die Vorstellung einer kurzen Rast besitzt angesichts der permanenten Mückenangriffe keinerlei Attraktivität und so komme ich rasch voran. Die ersten Weitwanderer, ein wenig gebeugt unter der Last riesiger Rucksäcke, kommen mir entgegen.  Nach 3 Stunden liegt der "Abiskojaure"-See vor mir, eine halbe Stunde danach überquert der Kungsleden einen kleineren Fluss über eine Hängebrücke und schon ist das Etappenziel "Abiskojaure-Hütten"  erreicht. Hier am Südufer des Sees stehen einige Blockhütten mit Schlafplätzen für Wanderer, auch ein kleines Camping- Areal ist dabei. Beim Kaffee komme ich mit Jutta aus Berlin ins Gespräch, die eine Woche lang nur den nördlichen Teil des Kungsleden bewanderte, um dann von Abisko mit der Bahn wieder nach Hause zu fahren. Sie erzählt von herrlichen polaren Landschaften, einsamen Seen, einer Rentierherde eines Morgens neben dem Zelt und abertausenden quälenden Stechmücken. "So schön es auch war, ich freue mich wieder auf ein Leben ohne Mückenspray". 
Bei den Abiskojaure-Hütten
 
Am späten Nachmittag bin ich zurück an der Tourist-Station. In meinem Zelt ist es brütend heiß, deshalb setze ich mich ein wenig unter die Bäume in den Schatten. Neben mir liegt einer der Huskys der Fjällstation hechelnd im Gras und leidet sichtlich 
an der Hitze, das Thermometer zeigt 28 Grad.  Den Sommer über hat er frei, in der Wintersaison bietet das Tourist-Zentrum aber auch Hundeschlittenfahrten an, besonders beliebt sind nächtliche Ausfahrten mit Beobachtung des Nordlichts. 
Am Paddus-Trail:  Am folgenden Morgen bin ich auf dieser interessanten Route unterwegs, die als Rundweg weg vom Fluss durch Heide- und Moorlandschaften führt. Bereits kurz nach Beginn des Trails steht man in einer ehemaligen, inzwischen verlassenen Samen-Ansiedlung, deren verschiedene Gebäudetypen durch die 
Versammlungsgebäude aus Torf
Nationalparkverwaltung rekonstruiert wurden. Dabei handelte es sich um einen permanenten Lagerplatz, der im Rahmen der saisonalen Wanderungen immer wieder genutzt wurde. Hier stehen mobile Tipi-artige Holzgerüste ähnlich den Behausungen nordamerikanischer Indigener , etwas unförmige Versammlungsgebäude aus Torf und seltsame kleine Hütten, die wie aufgespießt auf einem einzelnen dicken Stamm hoch über dem Erdboden thronen. Ein schräger Balken mit eingeschnittenen Tritten dient als Zugang. Diese kurios anmutenden Bauten dienten als Lagerräume, um dem Vielfraß,  dem raffinierten Räuber dieser Breiten, das Klauen der Lebensmittel so schwer wie möglich zu machen.
Lebensmittel-Lager der Samen hoch auf einem einzelnem Stamm

Die Samen gelten als einziges indigenes Volk Europas. Ihr "Sapmi" genanntes Siedlungsgebiet ist über die heutigen Staaten Schweden, Norwegen, Finnland und Russland verstreut. In Schweden leben etwa 15000 dieser Menschen. Ihre Sprache ist finno-ugrischen Ursprungs und ähnelt am ehesten dem Finnischen. Heute leben nur mehr 15 % der Sami von der traditionellen Rentierzucht, die heutzutage marktwirtschaftlich orientiert ist und nur mehr zum geringen Teil der Selbstversorgung dient. 
Beindruckende Ausblicke vom Paddus-Trail
Der Weg führt in der Folge eine Anhöhe empor, wo sich ein toller Ausblick auf den Birkenwald und die umliegenden 
Berge bietet. Diese liegen bereits außerhalb des Nationalparks, was aber dem landschaftlichen Genuss keinerlei Abbruch tut. So hoch im europäischen Norden war ich tatsächlich noch nie. Abisko liegt auf 68 Grad und 21 Minuten nördlicher Breite, deutlich nördlicher als etwa Island oder die grönländische Hauptstadt Nuuk. 

Bewertung :

Größe:   5
Bedeutung/Naturschutz:   7
Wildnis-Feeling:   8
Highlights:   7
Service:   9
Öffentliche Erreichbarkeit:   8

Meine Bewertung:    7 , 3

Das Gebiet, Flora und Fauna:   Die 77 km2 Fläche Nationalparkfläche fallen zwar eher bescheiden aus, jedoch setzt sich die menschenleere nordische Wildnis übergangslos in alle Richtungen fort. Der Slattajahka`ist mit 1191 m die höchste Erhebung im Schutzgebiet.  Hauptsächlich wird das wilde Flusstal des Abiskojakka mit seinen Stromschnellen,  der Abiskojaure-See und die umgebenden nordischen Zwergbirkenwälder geschützt. Arktisch-alpine Pflanzen wie Lappland-Alpenrose, 
Trollblumen am Weg
Silberwurz, Trollblume und Rosenwurz sind auf den sumpfigen Wiesen und zwischen den lichten Birkenwäldern zu finden. Viele Beerensträucher haben hier ihr Zuhause: Moltebeeren und  Preiselbeeren dienen den Wanderern als willkommener Snack. Das größte Säugetier des europäischen Nordens ist der Elch. Rentiere leben zumeist halbwild. Sie sind zwar Eigentum einer zumeist samischen Familiengruppe, streifen jedoch im Rudel völlig ungebunden umher. Kleinere Raubtiere wie der Polarfuchs oder der Vielfraß sind häufig. Der Europäische Braunbär lebt ebenfalls im Park, tritt jedoch nur selten in Erscheinung. Ein Bärenproblem wie in diversen osteuropäischen Ländern gibt es in Skandinavien nicht,  der letzte Zwischenfall mit Meister Petz liegt hier Jahrzehnte zurück.
Naturnahes Campen an der Tourist station


Service und Öffis:  Zentraler Ausgangspunkt für alle Outdoor-Aktivitäten ist die "Abisko tourist station", eine etwas kuriose Mischung aus Hotel, Hostel, Restaurant, Infozentrum und Tourenanbieter neben der gleichnamigen Bahnstation. Eine Vielzahl organisierter Unternehmungen sind an der Rezeption buchbar: Geführte Wanderungen, Wildwassersport und Elchtouren im Sommer, Hundeschlittenfahrten, Skibob und Nordlichtbeobachtung im Winter. 
Der eigentliche kleine Ort Abisko ist nur drei Kilometer entfernt.
Abisko - mit der Eisenbahn in die Wildnis
Dass sich diese abgeschiedene Wildnis zwar zeitaufwendig,  aber recht einfach öffentlich erreichen läßt, ist der legendären "Erzbahn" zu verdanken, an der Abisko liegt. Seit 123 Jahren transportiert sie hauptsächlich das Eisenerz für den Montankonzern LKAB aus dem nordschwedischen Kiruna zum ganzjährig eisfreien Nordseehafen im norwegischen Narvik. Der Bau war eine Pioniertat und technische Meisterleistung, an der tausende Arbeiter beteiligt waren. Direkt neben dem Bahnhof in Kiruna
steht das in Schweden berühmte "Denkmal zur Errichtung der Erzbahn".  4 Arbeiter tragen ein schweres Schienenstück auf ihren Schultern. Heute donnern auf der elektrifizierten, aber teilweise nur eingleisigen Strecke schier endlose Güterzüge mit bis zu 68 Waggons durch den kleinen Nationalparkbahnhof. Aktuell ist die Strecke auch ein wichtiger Schienenweg für NATO-Transporte. Der Personenverkehr ist eigentlich nur ein Zusatzprodukt, ermöglicht aber mehrmals wöchentlich die direkte Anreise per Nachtzug aus Stockholm Central, bei einigen Zügen muss in Boden umgestiegen werden.  Die Zugreise zwischen Boden und Narvik gilt als eine der schönsten in Europa.

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